Am Montag konnten sich die Verhandler über einen neuen Handels-Kollektivvertrag einigen. Der Kompromiss sieht für die 430.000 Angestellten und 20.000 Lehrlinge im Handel vor, dass die Mindestgehälter in der Branche mit 1. Jänner um 2,55 Prozent steigen, wobei die betragsmäßige Überzahlung aufrecht bleibt. Es werde auf den nächsten vollen Euro gerundet, heißt es.
"Der Abschluss ist ein Kompromiss angesichts der wirtschaftlichen Lage. Zentral ist für uns, dass wir eine nachhaltige Gehaltserhöhung für alle Kolleginnen und Kollegen garantieren können", so Mario Ferrari, Chefverhandler der Gewerkschaft GPA. Besonders wichtig war es den Verhandlern, dass der Abschluss keine Einmalzahlungen enthält.
Am Dienstag ordnete Wirtschaftswissenschaftler und der Leiter des Instituts für Höhere Studien Holger Bonin den Abschluss im Ö1-Morgenjournal ein. Auf die Frage, welche Seite besser verhandelt habe, zeigte sich Bonin diplomatisch. Man habe sich ziemlich genau in der Mitte der ursprünglichen Forderungen getroffen. Beide Seiten hätten erkannt, dass es "nicht viel zu verteilen gebe". Dem Handel gehe es nicht gut, so das Urteil Bonins.
Die Gewerkschaft könne das Ergebnis dennoch nicht als Erfolg verkaufen, diese sei im Handel ohnehin nicht so stark, wie in anderen Branchen. Es sei aber auch sehr schwierig zu verhandeln, wenn Arbeitsplatzverluste drohen, räumte der Experte ein. Man merke, dass die Innenstädte immer leerer würden, dass Geschäfte aufgeben müssten. In einer solchen Situation gebe es wenig zu verteilen.
Gehälter steigen, aber weniger Geld im Börserl – das ist der Reallohnverlust
Ein Reallohnverlust tritt auf, wenn die Inflation (Anstieg der Preise) stärker ausfällt als die Lohnsteigerung (Anstieg des Bruttoverdienstes). Das bedeutet, dass man sich mit dem höheren Lohn tatsächlich weniger kaufen kann, die Kaufkraft des Geldes sinkt also. Dieser Verlust kann durch eine stärkere Steigerung des Verbraucherpreisindex im Vergleich zum Lohnwachstum entstehen.
Auch ein Blick auf andere Kollektivvertragsverhandlungen zeige, dass man "schmerzliche Abstriche" machen müsse. Das sei im Handel besonders schmerzlich, weil hier viele Frauen, mit nicht besonders hohen Einkommen tätig seien. Und für diese sei jeder Euro weniger in der Geldbörse real ein Verlust – die Alternative sei allerdings, dass der Handel noch schneller Stellen abbaue und Geschäfte schließen würden.
Bonin macht keine falschen Hoffnungen. So lange die Inflation hoch sei, sei mit Wohlstandsverlusten, also Reallohnverlusten, zu rechnen. Die Hoffnung sei, dass man aus der Krise herauskomme. Gelinge es, Wachstum zu produzieren, werde man auch wieder höhere Lohnabschlüsse sehen.
Die Inflation sei in Österreich immer noch höher als in anderen vergleichbaren Ländern im Euroraum. Daran dürfte auch ein erwarteter Rückgang der Inflation im kommenden Jahr nichts ändern.