Gefühlt sind sie überall: Auf Hauswänden, an Fensterscheiben, plötzlich unterm Sofa, an der Schlafzimmerdecke oder sogar in der Obstschüssel in der Küche. Die sogenannten Stinkwanzen – eigentlich heißen sie marmorierte Baumwanzen – dringen derzeit massiv in unsere Wohnräume ein. Der Grund ist einfach: "Sobald die Temperaturen fallen, beginnen die Baumwanzen wärmere Orte aufzusuchen", erklärt Manfred Hartbauer, Biologe an der Uni Graz gegenüber der Kleinen Zeitung.
Die Wanzen, die du jetzt siehst, sind laut Hartbauer besondere Individuen. Ihre Aufgabe: Überwintern. Sie verfallen in eine Art Winterstarre, das nennt man Diapause, um die kalte Zeit zu überstehen. Im Frühling wachen die flachen Stinker wieder auf und legen ihre Eier ab, um danach zu sterben.
Wie wirst du diese lästigen Stinkwanzen in der Wohnung wieder los? Laut dem Biologen ist das gar nicht so einfach. Sobald die Wanzen Gefahr wittern, setzen sie einen widerlichen Gestank frei. Zerdrückst du sie, stinkt es. Saugst du sie ein, riecht der Staubsauger. Selbst das Hinunterspülen in der Toilette hilft oft wenig, denn die Stinkwanzen sind gute Schwimmer.
„Die marmorierten Baumwanzen können auch Hochwasser überleben“
Diese Baumwanzen, die ursprünglich aus Ostasien nach Europa eingeschleppt wurden, sind extrem widerstandsfähig. "Eine humane Art, sie loszuwerden, wäre, die Wanzen in den Tiefkühler zu legen", sagt Hartbauer. Temperaturen von minus 20 Grad überleben sie nicht – das ist ein sanfter Tod. Ob das im Alltag praktikabel ist, muss jeder für sich entscheiden. Einfangen und hinauswerfen ist zumindest eine Lösung – solange, bis sie wieder hereinkommen.
In unseren Wohnungen sind die eingeschleppten Baumwanzen zwar vor allem lästig, für die Landwirtschaft stellen sie aber eine ernste Bedrohung dar. "Heuer war der Schaden in der steirischen Landwirtschaft nicht so groß wie im vergangenen Jahr", sagt Hartbauer. Das nasse Frühjahr und der sehr heiße Sommer haben die Wanzen-Population gebremst. Besonders in der Bio-Landwirtschaft können die Wanzen aber enormen Schaden anrichten.
Die marmorierte Baumwanze ist deshalb so problematisch, weil sie an fast allem saugt, was sie an Früchten und Pflanzen findet. Sie kann Birnen, Äpfel, Weinreben, Paprika, Tomaten und Mais befallen. "Saugt eine Wanze etwa an einer Birne, verformt sich die Frucht und fängt an, zu stinken", erklärt Hartbauer. Spezielle Pestizide gegen die Wanze gibt es im Obstanbau nicht – Landwirte können nur zu Pheromonfallen greifen, doch die kosten viel Geld.
Eines steht fest: Die Stinkwanzen werden nicht mehr verschwinden. Die eingeschleppten Schädlinge haben sich bei uns festgesetzt. Und derzeit gibt es hierzulande keine natürlichen Feinde: "Die Wanzen selbst sind für Vögel und andere mögliche Fressfeinde ungenießbar, aufgrund des übelriechenden Sekrets. Parasiten könnten sich gegen die Eier der Baumwanzen richten", erklärt Hartbauer. Doch unsere heimische Tierwelt muss sich erst an die neue Art gewöhnen und deren Eier als Futter erkennen – "und das kann Jahre dauern", sagt Hartbauer.