Immer mehr Bewohner von Pflegeheimen werden körperlich eingeschränkt: Die Beweglichkeit soll ihnen verwehrt werden, der Freiraum auf wenige Quadratzentimeter begrenzt. Ein tragischer Pflegefall ist ein 51-jähriger Tiroler. Er leidet unter Epilepsie und hat zudem eine diagnostizierte autistische Verhaltensstörung in Zusammenhang mit Trisomie 21 ("Down Syndom").
Der Tiroler wohnt in einer betreuten Wohngemeinschaft. Um zu verhindern, dass der Bewohner aus dem Rollstuhl fällt, wurde er mit Brust- und Bauchgurten fixiert – eine freiheitsbeschränkende Maßnahme. Bei der Überprüfung stellte sich jedoch heraus: Das verwendete Sicherungssystem war ungeeignet – eine passende Lösung hätte dringend gefunden werden sollen.
Ähnlich wie dem 51-Jährigen geht es unzähligen Pflegebedürftigen, die sich in einem Pflege- und Betreuungszentrum Hilfe erhoffen. Teils vergeblich, wie sich zeigt. Zu den Freiheitsberaubungen zählen von außen versperrte Türen, Fixierungen im Rollstuhl oder sedierende, also ruhigstellende Medikamente.
"Die Einrichtungen haben im Jahr 2024 rund 60.200 Freiheitsbeschränkungen neu an uns gemeldet – fast 22.100 Personen waren von einer oder mehreren Maßnahmen betroffen“, erklärt Grainne Nebois-Zeman, Fachbereichsleiterin der Bewohnervertretung bei "VertretungsNetz".
Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Anstieg von fünf Prozent, im Drei-Jahres-Vergleich sogar einem Plus von 32 Prozent – eine alarmierende Entwicklung. Nebois-Zeman warnt, Beschränkungen wie das Einsperren oder Festzurren an einem Ort würden nicht nur zu Bewegungsmangel und Mobilitätsverlust führen, sondern auch die Sturzgefahr erhöhen. "Angekettete" Menschen würden sich erst recht losreißen und verletzten.
Besonders besorgniserregend sei die Situation in Alten- und Pflegeheimen, heißt es vom "VertretungsNetz". Aus jenen Heimen hätte man im Vorjahr 30.400 neue Maßnahmen bei der Bewohnervertretung verzeichnet. Sieben von zehn davon fallen auf sedierende Medikamente!
"Aber auch Bett-Seitenteile und Gurtsysteme im Rollstuhl kommen in den letzten Jahren wieder häufiger zum Einsatz", schreibt das VertretungsNetz. Obwohl andere Optionen gar nicht so fern liegen.
Manche Pflege-Einrichtungen bemühen sich um feinfühlige Gesprächstechniken, um einen Kompromiss zwischen Pflegepersonal und Heimbewohnern. In der Realität belasten Zeitdruck, Personalmangel und ein erhöhter Pflegebedarf die Geduld für sanftere Alternativen. Kritisiert wird auch, dass viele während der Pandemie eingeführte Maßnahmen beibehalten werden.
Die Behörden betonen, dass weniger als 15 Prozent der Bewohner betroffen seien. Einrichtungen mit höheren Quoten würden überprüft. Über die Rechtmäßigkeit entscheide jeweils ein Gericht.