Radieschen pflücken, statt sie von unten zu sehen – im Bezirk Melk wird aus der Reserve des Friedhofs bald ein Paradies für Hobbygärtner. Statt Grabsteinen kommen 80 Gemüsebeete auf die Reserve-Gedenkstätte direkt neben dem Friedhofsgelände.
Immer mehr Menschen entscheiden sich in Ruprechtshofen (Melk, NÖ) für Urnenbestattungen. Ganze Flächen neben dem Friedhof, die für Gräber reserviert waren, stehen aufgrund des Trends zu Urnen leer. Statt 900 Quadratmeter verbrannte Erde zu hinterlassen, verwandelt die Gemeinde sie jetzt in fruchtbaren Boden für Zucchini, Paradeiser und Salat – so der Plan.
Bürgermeister Leopold Gruber-Doberer (VP) sieht darin eine Chance und sagt gegenüber "Heute": "Wir wollen die Fläche nicht brachliegen lassen, sondern sinnvoll nutzen und der Bevölkerung zugänglich machen."
Das ungewöhnliche Konzept stammt von einem Ideenwettbewerb der sogenannten "Kreislaufregion Melk-Scheibbs", führt der Stadtchef aus. Johannes Eßmeister, zuständig für das Innovationsmanagement der Kreislaufregion, ergänzt: "Im Februar haben wir in Wieselburg am Messegelände einen Mustergarten mit 15 Beeten angelegt. Gleichzeitig haben wir online einen Ideen-Wettbewerb gestartet – das Thema: Wie kann man auf öffentlichen Flächen am Land Gemüse für den Privatgebrauch anbauen?
Die Einsendungen waren gut durchdacht und tiefgründig, so Eßmeister. Bei der Wieselburger Messe wurden im Mai die Ergebnisse der Ideenbörse präsentiert und ausgezeichnet. Der krönende Abschluss: Am letzten Tag der Messe im Mai wurde geerntet, rund 50 Messebesucher halfen bei der Ernte mit und wurden mit Naturalien belohnt.
Erst herrschte wohl Skepsis, die Beete würden innerhalb der Friedhofsmauern liegen – doch das ist falsch. Eßmeister: "Die Pachtflächen in Ruprechtshofen sind nicht direkt am Friedhof, sondern auf der angrenzenden Reservefläche. Damit die Ruhe am Friedhof nicht gestört wird, wird es von der Straße her einen separaten Zugang geben!"
Hinter einem eigenen Eingangstor würde auf eigens angelegten Kompostbeeten Gemüse angebaut werden – nicht auf dem Friedhof, geschweige denn direkt auf Gräbern.
Damit das Projekt auch gelingt, wird es den Hobbygärtnern so leicht wie möglich gemacht, erklärt Innovationsmanager Eßmeister: "Die Gemeinde Ruprechtshofen verpachtet in Summe 80 Gemüsebeete, die analog zu dem Mustergarten in Wieselburg angelegt werden."
Er führt aus: "Die Beete verfügen über eine Kompostschicht, sind mit Holzschnitzel-Wegen eingefasst und werden automatisch bewässert. Damit wird der Start für unsere privaten Gemüsegärtner leicht gemacht." Dank der Tröpfchenbewässerung könne man sorglos auch für drei Wochen in den Urlaub fahren.
Mit etwas Know-how sollen perfekte Bedingungen für den anspruchslosen, aber ertragreichen Anbau entstehen. Ziel ist, unbebaute Flächen zu nutzen und damit mehr Bioidiversität zu bewahren.
Die Regeln sind klar: Drei Jahre Mindestlaufzeit, 30 Euro Pachtgebühr pro Jahr (Wasser inklusive) und einmalig 98 Euro für die Einrichtung. Zwei bis fünf Beete pro Haushalt sind möglich. Ein separater Zugang stellt sicher, dass die Ruhe am Friedhof gewahrt bleibt.
Ganz sicher ist das Projekt aber noch nicht: Mindestens 20 Doppelbeete müssen bis Jahresende vergeben sein, damit der Startschuss zum Saisonbeginn im Frühjahr 2026 fällt. Nur unter diesen Umständen kann die Idee realisiert werden, erst dann werden in Friedhofsnähe 80 Gemüsebeete aus Kompost gezogen und zum Anbau vorbereitet.
Gelingt das Experiment, könnte Ruprechtshofen zum Vorbild für viele Gemeinden werden. "Wenn unser Projekt erfolgreich ist, kann ich mir gut vorstellen, dass weitere Gemeinden nachziehen", so Gruber-Doberer im "Heute"-Gespräch. Ein ähnliches Projekt gibt es bereits am Wiener Zentralfriedhof in Kooperation mit der Firma "Ackerhelden".