Terror in Wien

Was Ermittler mit Handy des Attentäters herausfanden

Nach einem Fleck in Netzwerktechnik ging es beim City-Attentäter Richtung IS. "Heute" recherchierte, wann der 20-Jährige in den Irrsinn kippte.

Heute Redaktion
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Schwer bewaffnete Polizisten bewachen Wien.
Schwer bewaffnete Polizisten bewachen Wien.
picturedesk.com

Wie konnte der Attentäter (20), dem in Österreich alle Türen offenstanden, zum IS-Terroristen werden? "Heute" recherchierte die Lebensgeschichte:

► Geburt am 24.6.2000 in Mödling (NÖ), österreichischer Staatsbürger, Moslem, eine Schwester, Hobbkicker ab 2015. Eltern-Wohnung in Liesing. Der Papa ist Gärtner, die Mama Verkäuferin.

► Schule Vier Jahre Volksschule ab 2006, danach vier Jahre Mittelschule bis 2014; es folgen ein Jahr an einer Fachmittelschule sowie drei Klassen an einer HTL in Ottakring. 2017/2018 kassiert der damals 18-Jährige einen Fleck in Netzwerktechnik; zur Nachprüfung tritt er nicht an.

► Türkei-Reise Der Grund für das Ende der Schullaufbahn: seine Türkei-Reise (Abflug: 1.9.2018 um 10.35 Uhr in Schwechat, Ankunft in Istanbul, Weiterreise nach Hatay). Nachdem die Schleusung nach Syrien scheitert, wird er am 15.9.2018 festgenommen, Untersuchungshaft in der Türkei, dann Rückschiebung.

► Festnahme am 10.1.2019 in Schwechat. U-Haft in Wien. Die Mutter packte voller Verzweiflung gegen den eigenen Buben aus. Anwalt Nikolaus Rast erinnert sich gegenüber "Heute": "Ich hätte einen überzeugten Gotteskrieger nie vertreten. Ich habe das Mandat nur übernommen, da seine Mama – eine völlig westliche Frau – heulend bei mir gesessen ist und gefragt hat: 'Was haben wir nur falsch gemacht bei ihm?'“

"Seine Gesinnung lässt neben seinem Gott keine weiteren Autoritäten zu."

► Ermittlungen offenbarten die abstruse Parallelwelt, in die der Teenager geglitten war. Für die Ermittler war "aufgrund der Auswertung des Mobiltelefons belegt, dass er ein salafistisch-dschihadistischer Anhänger der Gesinnung des politischen Takfirismus im Sinne der Lehre des tauhid (Glaube an die Einheit Gottes) ist." Und weiter: "Seine Gesinnung lässt neben seinem Gott keine weiteren Autoritäten zu. Er besuchte auch mehrmals die einschlägig bekannte Moschee, die seit Jahren bekannter Treffpunkt für Personen mit radikal-islamistischem Gedankengut ist, die demokratische Werte und Institutionen als 'kufar' ablehnen."

Anwalt Nikolaus Rast
Anwalt Nikolaus Rast
Denise Auer

► Prozess am Landl am 25.4.2019, gegen das Urteil (22 Monate Haft) wegen Verbrechens der terroristischen Vereinigung legt der Attentäter keine Berufung ein – daher wird es am 12.7. 2019 rechtskräftig.

► Entlassung aus dem Häf’n schon am 5.12.2019 (urteilsmäßiges Strafende: 14.7.2020), drei Jahre Probezeit, Bewährungshilfe (er hat dort laut Innenminister alle perfekt getäuscht) und Termine bei einem Deradikalisierungs-Verein. Offenbar ohne Erfolg. Vor der bedingten Entlassung des Täters sprach sich übrigens der Staatsanwalt dagegen aus, die Richterin letztlich dafür. Die Begründung: "erstmals und mittlerweile massiv verspürtes Haftübel", "sozialer Empfangsraum", "Unterkunft nach der Entlassung". Und: "Es kann davon ausgegangen werden, dass der Vollzug von zwei Drittel der Freiheitsstrafe ausreicht, um den Strafgefangenen zu einer gesetzeskonformen Lebensführung zu veranlassen." Eine Fehleinschätzung. Innenminister Karl Nehammer (VP) zeigte sich bei einer Pressekonferenz Dienstagnachmittag entsetzt: "Er hat sich bei der Bewährungshilfe extrem bemüht."

Das Handy des Attentäters
Das Handy des Attentäters
"Heute"

► Wohnung Am 1.5.2020 zieht er aus dem Kinderzimmer in eine Gemeindewohnung (42 Quadratmeter, rund 450 € warm) in Kagran. Dort wälzt er wohl Anschlagspläne.

► Job findet er keinen, er macht einen bfi-Kurs (3.2.-20.4) und bezieht seit 7.5.2020 Mindestsicherung, zuletzt exakt 917,35 €. Wie "Heute" nun in Erfahrung bringen konnte, bekommt er den Kurs zur beruflichen Orientierung im Februar vom Arbeitsmarktservice zugewiesen. Diesen besucht er bis Mitte April und verhält sich stets unauffällig. Rückschlüsse auf eine mögliche Radikalisierung können dort nicht festgestellt werden.

► Terror-Fahrt Am 21.7. will er in Bratislava Munition für seine AK-47 kaufen, scheitert. Die Behörden in Wien werden informiert, tun nichts. Wo er sie letztlich bekam, ist noch unklar. Hier kannst du das Skandal-Dokument aus der Slowakei, das bei uns keine Beachtung fand, einsehen >>

► Tat am 2.11.; traurige Bilanz: 4 Tote, 23 Verletzte (4 schwer).

► Tod am 2.11. – er wird um 20.09 Uhr von einem Polizisten in der City erschossen

"Öfter Pumpern und Klopfen"

Im "Heute"-Interview zeigten sich die Nachbarn – wie berichtet – tief betroffen. Einen engen Kontakt zum Attentäter habe der 25-jährige junge Mann, der sich für ein anonymes Interview bereit erklärte, nicht gehabt, lediglich einmal habe er seinem Nachbarn die Haustür aufgehalten. Aus der Wohnung des Killers vernahm S. öfter ein "Pumpern und Klopfen". Auch Schreiereien habe er wahrgenommen. Einmal habe er deswegen sogar die Polizei alarmiert. Konsequenzen gab es "leider" keine.

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    Am Mittwoch (4.11.) gedachten viele Wiener der Terroropfer vom 2. November 2020.
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      In der Wiener Innenstadt kam es zu einer Schießerei.
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