Sechs Millionen Tonnen – diese unglaubliche Menge an Lebensmitteln wird in den Großküchen Österreichs verarbeitet. Von Kantinen über Betriebsküchen bis zu Spitalsküchen: Bio steht hierzulande hoch im Kurs. Niederösterreich hat sich sogar zu Bioprodukten in Landesküchen verpflichtet, doch jetzt stellt sich heraus, dass die dazu veröffentlichten Zahlen falsch sein dürften.
Wenn man den Bio-Anbau in Österreich ankurbeln will, hat die öffentliche Hand dabei eine "riesige Hebelwirkung", erklärt Johannes Gutmann, der den Verein Enkeltaugliches Österreich und Ende der 1980er-Jahre das Unternehmen Sonnentor gegründet hat.
2022 war eine wichtige Zäsur für die Bio-Landwirte und auch für Händler wie Gutmann, denn der Bund und mehrere Bundesländer, darunter auch Niederösterreich, verpflichteten sich dazu, dass bis 2030 mindestens 55 Prozent der Lebensmittel in Großküchen aus biologischer Landwirtschaft stammen müssen.
Ein erstes Etappenziel wollte man bereits 2023 erreicht haben: 25 Prozent Bio-Quote. Erhebungen würden überdies zeigen, dass gegenwärtig etwa 30 Prozent Bio-Lebensmittel verwendet werden. Das Land Niederösterreich hat sich zuletzt mit einer Bio-Quote von 41 Prozent gerühmt und dabei auf die Daten von 2023 verwiesen.
Im Originalwortlaut heißt es: "Im Rahmen der Lebensmittelbeschaffungen wurden alle öffentlichen Küchen des Landes angeschrieben. Von den insgesamt 88 Küchen liegen nun die Daten vor. […] Besonders erwähnenswert ist die Bioquote, die im Landesdurchschnitt 41 Prozent ausmacht. Das übersteigt die Zielvorgaben des Fahrplans für das Jahr 2023 deutlich und liegt auf einem guten Weg zum Ziel für 2030."
Doch jetzt werfen Rohdaten, die dem ORF zugespielt wurden, zumindest Zweifel auf: Offenbar wurden weder alle Großküchen noch alle Produktgruppen erhoben. In den Unterlagen der zuständigen Abteilung im Land sind nicht 88, sondern rund 115 Großküchen angeführt. Außerdem wurden die Fragebögen von den Großküchen selbst ausgefüllt und nicht von unabhängigen Stellen, kritisiert Gutmann.
Er sagt: Der Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaffung (naBe) schreibe vor, "dass alle auskochenden Stellen geprüft werden müssen. Wenn ich viele Küchen habe, dann müssen alle abgefragt werden, und alle Warengruppen. Das muss transparent ersichtlich sein. Wenn nicht, ist das nicht stimmig, auch weil die Kontrolle fehlt."
Gutmann weist auf den einheitlichen Bio-Standard hin. Die Bioverordnung der EU legt genaue Regeln fest. Oft sind österreichische Kontrollstellen noch strenger. "Alle Firmen, die mit Bioprodukten arbeiten, müssen sich an diese Regeln halten und auf Knopfdruck beweisen können, wie viel umgesetzt wurde."
Genau das passiert beim Land NÖ nicht: Vertrauen sei zwar gut. "Aber in diesem Bereich ist Kontrolle unerlässlich", sagt Gutmann. Trotzdem sei es "löblich", dass sich das Land zumindest in der öffentlichen Darstellung an die Vorgaben halten wolle.
Auf Nachfrage des ORF bei den Landesgesundheitsagentur heißt es jetzt: "Die Angaben […] sind nicht korrekt. Tatsächlich lag die Quote im Jahr 2022 bei 29,5 Prozent." Derzeit liege die Bio-Quote bei 34 Prozent: "Es wird jedoch zunehmend herausfordernder, Lebensmittel in Bioqualität auf dem Markt zu beschaffen."
Viele Großküchen würden dann konventionelle Produkte verwenden, die aber in den Warenerfassungssystemen nicht immer berücksichtigt würden, wodurch die Bio-Quote höher erscheine, als sie tatsächlich ist, heißt es aus Gutmanns Verein. Enkeltaugliches Österreich fordert daher unabhängige Kontrollen.
Unterstützung kommt nun von Niederösterreichs Grünen – sie haben eine diesbezügliche Anfrage im Landtag eingebracht, um feststellen zu lassen, wie hoch nun die Bioquote in Niederösterreich tatsächlich ist: "Wenn es um die Versorgung mit Lebensmitteln in Landeskliniken und Pflegezentren geht, dürfen keine Zahlenspiele und Schönfärbereien im Raum stehen bleiben", sagt Klubobfrau Helga Krismer.
Die zuständige Abteilung im Land beteuert weiter eine Bio-Quote von 41 Prozent erreicht zu haben. Die Erhebung des Landes sei eine "Stichprobenuntersuchung". Daher sei das Mitwirken an der Umfrage freiwillig gewesen: "Aufgrund der Anzahl der Rückmeldungen (88 Küchen) gehen wir von einer vollständigen Erhebung aus. Es bestand kein Grund, externe Personen zu befassen."
Gleichzeitig waren nicht alle Warengruppen erfasst, doch das Land sagt dazu: Die Umfrage basiere "auf der Struktur des Programms 'Gut zu wissen' der AMA und Landwirtschaftskammer. Fleisch-, Milch- und Eierprodukte werden darin prioritär erhoben."
Dazu Gutmann: Bund und Ministerien "haben zunächst auch versucht, sich besser darzustellen." Doch nach der dritten Anfrage sei herausgekommen, dass die Bio-Quote in vielen Bereichen im niedrigen einstelligen Bereich liegt. "Es passiert nichts", sagt Gutmann, "weil eine externe Kontrolle fehlt, jemand der sagt, da und dort muss nachgeschärft werden."
Aktuelle Daten zur Bio-Quote gibt es derzeit nicht. Die nächste Erhebung in den Großküchen ist für Jänner 2026 geplant: "Fokus dabei sind die Herkunftsnachweise in Qualität von 'Gut zu wissen'", heißt es vom Land NÖ. Verbesserungen will man "durch Aufklärung und Motivation" erreichen. Konsequenzen bei Nichterfüllung seien im Fahrplan "nicht explizit vorgesehen".
Eine paradoxe Situation: Wenn die öffentlichen Stellen "mehr Bioanbau fordern, muss auch die Abnahme da sein. Wir können liefern, aber wenn wir keine Abnehmer haben, sind wir gezwungen, in den Export zu gehen", erklärt Gutmann. Denn österreichische Bioprodukte seien in ausreichender Menge verfügbar.