Sozialbetrug extrem

Dreister Firmenchef – Arbeiter durften nicht aufs Klo

Betrüger-Firmen zocken Österreich um 1 Milliarde Euro pro Jahr ab. "Heute" weiß, mit welchen Tricks sie Mitarbeiter und Staat über den Tisch ziehen.
Nicolas Kubrak
28.09.2025, 18:49
Loading...
Angemeldet als Hier findest du deine letzten Kommentare
Alle Kommentare
Meine Kommentare
Sortieren nach:

Kommentare neu laden
Nach oben

Die "Heute"-Enthüllung über Sozialbetrag durch Unternehmen schlug hohe Wellen. So beträgt der Schaden für Steuerzahler und Sozialversicherung durch Sozialbetrug von Unternehmen alleine in der Baubranche 350 Millionen Euro pro Jahr. Betriebe, die ihre Beschäftigten beim AMS "zwischenparken", wälzen ihre Personalkosten auf die Arbeitslosenversicherung ab und reißen dort ein Loch von 700 Millionen jährlich.

AK: "Das ist ein Geschäftsmodell"

Da so manche Unternehmen immer kreativere Wege finden, um Gesetze zu umgehen, hat die Arbeiterkammer Wien Ende 2023 eine Stabstelle zur Betrugsbekämpfung eingerichtet, die systematisch gegen Sozialbetrug in Unternehmen vorgeht. Mit Stichtag 31. August bearbeitete man 2025 schon 105 Fälle.

"Die Fälle, mit denen Arbeitnehmer zu uns kommen, sind längste keine einfachen Standardprobleme mehr, sondern werden immer komplexer", sagte Ludwig Dvořák, Bereichsleiter für arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz in der AK Wien, bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

AK-Arbeitsrechtsexpertin Andrea Ebner-Pfeifer fügte hinzu: "Unterentlohnung ist kein Betriebsunfall, es ist ein Geschäftsmodell – und zwar eines, das auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer funktioniert.

1
70h/Woche, kein Trinken, kein Klo
Vier betroffene Erntehelfer waren bei einer Wiener Gärtnerei beschäftigt. Ihren Lohn erhielten sie generell nur in bar – die Geldkuverts wurden vom Chef persönlich ausgegeben. Sie gaben an, vom Arbeitgeber regelmäßig angeschrien und beschimpft worden zu sein. Sie durften während der Arbeitszeit nichts trinken und außerhalb der Pausen (die kaum eingehalten wurden) nicht auf die Toilette gehen. Auch die Wohnbedingungen in Containern waren miserabel.

Nachdem die Arbeiter sich hilfesuchend an die AK wandten, weil sie keinen Lohn mehr erhalten hatten, stellten die Juristen fest, dass die Arbeiter zu spät und falsch bei der ÖGK angemeldet wurden – nämlich 20 Stunden/Woche, obwohl die tatsächliche Arbeitszeit durchschnittlich 70 Stunden/Woche betrug. Außerdem wurde der geltende Kollektivvertrag nicht eingehalten, Überstunden, Urlaubs- und Weihnachtsgeld wurden grundsätzlich nicht bezahlt. Trotz der schweren körperlichen Arbeit wurde ihnen kein einziger Urlaubstag gewährt (und auch keine Urlaubsersatzleistung).
2
Lkw-Fahrer mussten Bankkonto in Kroatien eröffnen
Drei Kolumbianer kamen nach Österreich, um hier als Lkw-Fahrer zu arbeiten. Sie wurden aber nicht bei der österreichischen Firma angestellt, sondern nach Kroatien gebracht, um dort einen Dienstvertrag zu unterschreiben und ein Konto bei einer kroatischen Bank zu eröffnen.

Dann ging es zurück nach Österreich, wo die drei Männer fast ein Jahr lang arbeiteten. Als das Dienstverhältnis beendet wurde und die Lkw-Fahrer kein Geld für die letzten zwei Monate bekamen, wandten sie sich an die AK. Von der kroatischen Firma forderte man die Löhne vergeblich ein, mit dem österreichischen Unternehmen wurde ein Vergleich erzielt.
3
Wander-Geschäftsführer – Insolvenzen am Fließband
Lukas N. ist aktuell in elf Unternehmen Geschäftsführer, neun davon sind im Firmenbuch als insolvent oder als Scheinunternehmen gekennzeichnet. In 47 weiteren Unternehmen, in denen er in den letzten Jahren Geschäftsführer war, ist seine Funktion inzwischen gelöscht, knapp die Hälfte davon sind ebenfalls insolvent oder Scheinunternehmen.

Die Beschäftigten wurden teils mehrfach zwischen Gesellschaften hin- und her gemeldet, um ihnen kein Geld auszahlen zu müssen. Obwohl der Verdacht auf systematischen Betrug bereits 2023 aktenkundig war, ist es völlig legal, dass dieselben Personen weiterhin als Geschäftsführer fungieren und Arbeitnehmer einstellen.
4
Insolvenz als Geschäftsmodell
Über die Bau GmbH wurde im Juli 2025 Konkurs eröffnet. Für 114 Beschäftigte stellte die AK Wien Insolvenzanträge in Höhe von mehreren hunderttausend Euro. Kurz nach Beendigung der Dienstverhältnisse setzten viele Arbeiter ihre Tätigkeit auf denselben Baustellen fort – nun allerdings für eine neu gegründete GmbH.

Diese firmiert an derselben Adresse, mit denselben Eigentümern und Geschäftsführern wie die andere – auch der Firmenname unterschied sich nur durch den Anfangsbuchstaben. Aus der "Hanni-Bau GmbH" wurde die "Nanni-Bau GmbH" (Anm.: Name wegen laufenden Verfahrens geändert).
5
Schwarzarbeit im Bau
Sechs Bauarbeiter wurden zunächst ordnungsgemäß bei der ÖGK angemeldet. Sobald sie die Zutrittskarte für die Großbaustelle hatten, auf der sie eingesetzt wurden, meldete ihr Arbeitgeber sie ohne ihr Wissen wieder ab. Damit verlieren die Arbeiter sämtliche Versicherungsansprüche. Die Stabsstelle setzte sich mit der ÖGK in Verbindung, die den Fall jetzt prüft.

So dreist werden Mitarbeiter abgezockt

"Heute" hat die dreistesten Tricks dubioser Unternehmen aus der AK-Stabsstelle für Betrugsbekämpfung unter die Lupe genommen.

{title && {title} } nico, {title && {title} } Akt. 30.09.2025, 08:09, 28.09.2025, 18:49
Jetzt E-Paper lesen