"Ich bin einfach nur sprachlos", sagt eine junge Mutter aus Baden zur drohenden Schließung des Kindertreffs "Schaukelpferd". In einer lokalen Facebook-Gruppe gehen die Wogen hoch, nachdem sie in ihrem wütenden Kommentar Badens Bürgermeisterin Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) kritisiert.
Betroffene, eine ehemalige Kindergartenleiterin und die Bürgermeisterin selbst schalten sich in den Streit ein. Immerhin geht es um die Zukunft von rund 40 Kindern – und ihrer Eltern, die, wenn keine Lösung gefunden wird, in wenigen Wochen ihre Betreuungsplätze verlieren.
"Gestern (5.6.) haben wir vom Kindergarten ein Schreiben bekommen, dass plötzlich ab September kein Betrieb mehr ist. Und ich frage mich, wie kann das bitte sein?", beginnt die Niederösterreicherin ihren Kommentar.
Tatsächlich hat die Stadtgemeinde Baden den Betreuungsvertrag mit dem Betreiber des Kindertreffs, dem NÖ Hilfswerk, kürzlich aufgelöst – im gegenseitigen Einvernehmen, wie es seitens der Stadt heißt. Nun läuft die Zeit, denn mit Ende August beendet das Hilfswerk seine Tätigkeit vor Ort.
"Es geht hier nicht um Kinder mit fünf oder sechs Jahren, sondern um Kleinkinder, um Ein- bis Dreijährige, für die eine vertrauensvolle Beziehung zu den Menschen, die auf sie aufpassen, besonders wichtig ist", klagt die junge Mutter aus Baden.
"Von der Bürgermeisterin kommt ein Schreiben, dass die Gemeinde auch überrascht sei, sich aber um eine Lösung bemühe. Überrascht davon, dass man, wenn man die Beihilfen von heute auf morgen einstellt, der Betrieb nicht weiter laufen kann?", heißt es in demselben Kommentar weiter.
"Heute" hat Bürgermeisterin Carmen Jeitler-Cincelli erneut mit den Vorwürfen konfrontiert, nachdem diese bereits auf Facebook konterte: "Wir haben keinerlei Beihilfen eingestellt!" Und: "Ich finde es unglaublich, wie viel Meinung hier ohne Wissen über die Hintergründe geäußert wird." Gegenüber "Heute" spricht Jeitler-Cincelli von Unvereinbarkeiten hinsichtlich der Finanzierung.
"Das Hilfswerk hat von sich aus gekündigt", beginnt Jeitler-Cincelli zu erklären. Die Organisation habe plötzlich über eine halbe Million Euro von der Stadtgemeinde Baden verlangt, um den Betrieb (für maximal 45 Kinder) weiterzuführen: "Das, obwohl die Stadtgemeinde Baden keine Miete verlangt hat und stets die Betriebskosten übernommen hat." So ergebe sich fast eine Verdopplung der bisher geleisteten Sonderförderung.
Das Ringen um Kinderbetreuungsplätze ist in Niederösterreich nichts Neues: Derzeit kommt, laut Statistik Austria, auf 1.000 Einwohner nur ein Betreuungsplatz. Das ist der Status Quo, nachdem bereits 2022 die "NÖ Kinderbetreuungsoffensive" gestartet wurde und weitreichende Verbesserungen angekündigt worden sind. Bei den 1-Jährigen geht in Niederösterreich überhaupt nur eines von fünf Kindern (21 Prozent) in den Kindergarten, kritisiert die Arbeiterkammer.
Die Stadt Baden befindet sich in einer finanziellen Krise. Der Schuldenstand ist im Jahr 2024 von 15,9 auf 19,6 Millionen Euro gestiegen. Als Ursachen für die angespannte Lage werden unter anderem teure Projekte, steigende Kosten sowie geringere Ertragsanteile genannt. Die amtierende Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und der Liste "Wir Badener" hat sich zum Ziel gesetzt, die Stadt finanziell zu sanieren und notwendige Reformen umzusetzen. Auch die Zusammenarbeit mit der Opposition wird angestrebt.
Gegenüber "Heute" sagte NÖ-Hilfswerk-Geschäftsführer Christoph Gleirscher, dass sich mit der Kinderbetreuungsoffensive 2022 die Ansprüche des Landes an die Betreuungseinrichtungen geändert hätten.
"Zum einen gab es die in Österreich üblichen kollektivvertragliche Erhöhungen bei den Gehältern. Andererseits ist jetzt eine weitere Betreuungskraft pro Gruppe notwendig – beiden Anforderung sind wir nachgekommen", sagt Gleirscher.
Seitens der Stadt sei ihm im Frühjahr 2025 plötzlich mitgeteilt worden, dass für das Kindertreff "Schaukelpferd" zukünftig nur mehr ein begrenztes Budget von 300.000 Euro zur Verfügung stünde: "Das, nachdem wir bereits 2024 Gesamtkosten von 390.000 Euro für das volle Jahr hatten, die durch die Stadt getragen wurden."
"Mit der Förderung, wie bisher, geht es also auf einmal nicht mehr weiter", fasst Gleirscher die Situation zusammen. "Wir tragen aber die Verantwortung für unsere Mitarbeiterinnen und brauchen Planungssicherheit. So können wir die Gehälter nicht mehr zahlen." Selbst nach mehreren Gesprächen habe die Stadt nicht sagen können, wie es 2026 weitergeht.
Als "Heute" Bürgermeisterin Jeitler-Cincelli darauf anspricht, ist sie kurz angebunden. Bevor sie zum nächsten Meeting muss, rechnet sie vor: "Wir haben als Stadtgemeinde nur 100 Millionen Euro Budget, wovon alleine 35 Millionen für Personal aufgewandt werden. Eine halbe Million für maximal 45 Kinder, das geht nicht."
"Wir sind bereits mit mehreren Anbietern im Gespräch", erklärt Jeitler-Cincelli. Man wolle einen reibungslosen Übergang ermöglichen: "Wir werden auch versuchen, dass das bewährte Betreuungspersonal vom neuen Betreiber übernommen wird. Eltern sollen darauf vertrauen können, dass ihre unter 2-jährigen Kinder am gleichen Standort auch weiterhin professionell und liebevoll betreut werden."
Eine ehemalige Leiterin eines Kindergartens, stellt sich in der Facebook-Diskussion auf die Seite der Bürgermeisterin: "Für mich ist es doppelt verstörend, dass ein sogenannter gemeinnütziger Verein so mit unserer Stadt umgeht", schreibt die Pensionistin und fragt sich, "warum sie so viel Geld brauchen, da doch so viel von Seiten der öffentlichen Hand fließt."
"Unsere Zusammenarbeit hat seit 1997 funktioniert", sagt hingegen NÖ-Hilfswerk-Geschäftsführer Gleirscher: "Wir würden das gerne die nächsten 20 Jahre weitermachen, aber so können wir schlicht nicht mehr weitermachen."
Dann rechnet Gleirscher vor: "Die drei Gruppen, mit je bis zu 15 Kleinkindern, werden von 12 Personen betreut, die nach dem österreichischen Arbeitsrecht korrekt entlohnt werden. Das ist die Mindestausstattung an Personal. Sie macht etwa 80 Prozent der Kosten aus." Auch andere Träger würden um diese Mindeststandards nicht herumkommen.
Man habe sogar angeboten, eine von drei Gruppen einzusparen, um die Sparvorgaben der Stadt zu erfüllen. "Wir sind ein gemeinnütziger Träger. Hier geht es nicht um Gewinnen, sondern darum, dass wir kostendeckend arbeiten können."
"Wir sind weiterhin im Gespräch", sagt Gleirscher: "Die Stadt kann sich entscheiden: Übernimmt sie die Kinderbetreuung künftig selbst und macht einen Landeskindergarten aus unserer Einrichtung, oder beauftragt sie einen Träger – was der Stadt vermutlich beides zu teuer ist."