Seitdem im März 2024 erstmals ein Ausbruch der Vogelgrippe bei Milchkühen in den USA gemeldet wurde, ist viel passiert. Zumindest, was einen Anstieg der Fälle bei Rindern und Menschen angeht. Beim Menschen wurden laut der US-Gesundheitsbehörde CDC bislang 70 Fälle und ein Todesfall gemeldet. Die Behörde stuft das Risiko weiterhin als gering für die "öffentliche Gesundheit" ein. "In keinem der Fälle wurde eine Übertragung von Mensch zu Mensch festgestellt".
Auch einige Maßnahmen wurden ergriffen. So wurde etwa verordnet, dass Milchkühe vor dem Transport in andere US-Bundesstaaten und Rohmilchproben aus Milchsilos von Molkereien auf das Virus getestet werden. Kalifornien, der größte Milchproduzent der USA, hat im Dezember 2024 den Notstand ausgerufen. Doch laut Forschenden der Emory University School of Medicine reicht das nicht aus. Sie fordern eine Ausweitung der Maßnahmen.
Das Team um die Mikrobiologin und Immunologin Seema Lakdawala hat untersucht, wie sich H5N1 auf den Farmen ausbreitet und dabei festgestellt, dass es weiter verbreitet ist als gedacht. So konnten sie infektiöse Vogelgrippeviren nicht nur in Eutern, Milch und auf Melkgeräten, sondern auch im Abwasser und in der Luft von Melkständen und in der Atemluft von Kühen nachweisen. Die Forschenden fanden es sowohl in großen als auch in kleinen Aerosolpartikeln. "Es ist überall", so Lakdawala zu scientificamerican.com. "Wir müssen die Biosicherheitsmaßnahmen ausweiten und versuchen, die Verbreitung des Virus zu kontrollieren."
Erst kürzlich hat US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. die Streichung von Bundesmitteln in Höhe von rund 500 Millionen Dollar für die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen bekannt gegeben. Betroffen davon ist auch die Entwicklung eines Vakzins gegen die Vogelgrippe durch den US-Pharmakonzern Moderna sowie das Programm der Pharmariesen Pfizer und Sanofi.
Die Arbeit von Lakdawala und ihren Kollegen ist bisher nur als Preprint veröffentlicht und muss noch von Fachkollegen begutachtet werden. Doch die Daten stimmen mit früheren Studien überein, zitiert "American Scientific" Richard Webby, der am St. Jude Children's Research Hospital die Wechselwirkungen zwischen Wirt und Mikrobe erforscht. Es sei "eine unglaublich kontaminierte Umgebung."
Auch Jason Lombard, Hauptautor einer im Juli 2025 im "Journal of Dairy Science" veröffentlichten Studie, sieht Handlungsbedarf: Der andauernde H5N1-Ausbruch bei Kühen sei der größte Ausbruch einer Infektionskrankheit in der US-Milchwirtschaft. "Er ist anders als alles, was wir zuvor gesehen haben", so der Spezialist für Milchsysteme an der Colorado State University in Fort Collins zu elsevier.com. "Er zeigt unser Unvermögen auf, solche Ereignisse zu entdecken, zu dokumentieren und zu managen." Der Ausbruch erfordere eine One-Health-Perspektive aller Beteiligten, um ihn wirksam bekämpfen zu können.
Nachdem in Rohmilch infizierter Kühe "sehr hohe Viruskonzentrationen festgestellt wurden, rät die Weltgesundheitsorganisation WHO pasteurisierte statt rohe Milchprodukte zu konsumieren. Auch Fachleute der Forschungseinrichtung Agroscope und dem Institut für Virologie und Immunologie in der Schweiz empfehlen dies: "Pasteurisierung und die üblichen Thermisierungsverfahren inaktivieren die Viren zuverlässig. Ohne thermische Vorbehandlung können jedoch manche H5N1-Stämme die Käseherstellung ‹überleben›." Gemeinsam hatten sie eine Studie zur Sicherheit von Joghurt und Käse durchgeführt.
Laut CDC macht Hitze das Virus auch in anderen Lebensmitteln unschädlich: "Durch das Garen von Geflügel, Eiern und Rindfleisch auf die richtige Kerntemperatur werden Bakterien und Viren, einschließlich der Vogelgrippe-A-Viren, abgetötet."