"Ich bin heute fast 600 Kilometer hinter dem Auto hergefahren, in dem mein Mann entführt wird", erzählt die noch immer fassungslose Oleksandra Zizenkova "Heute" im exklusiven Telefoninterview am Mittwoch. Ihr Mann ist Andrij Neposedov (53) und seineszeichens als Kameramann in der Ukraine im Auftrag des ORF tätig. Sie selbst begleitet ihn als seine Assistentin stets zu den Drehorten und hat ebenfalls eine Arbeitsbestätigung des ORF.
Neposedov befand sich am Samstag, den 6. September, gerade im Auftrag des ORF auf dem Weg zu Dreharbeiten mit Christian Wehrschütz in der westukrainischen Stadt Ternopil, als er bei einer "Routinekontrolle" der unter anderem für Rekrutierungen zuständigen Militäreinheit TCK mitgenommen wurde – "Heute" berichtete.
Seither besteht weder für den ORF noch seine Frau oder seinen Anwalt irgendeine offizielle Kontaktmöglichkeit. Es liegt weder eine Anzeige noch sonst irgendeine Begründung seitens des Militärs vor. Der ORF-Redaktionsrat forderte in einer Aussendung am Mittwoch seine sofortige Freilassung.
Der 53-jährige Kameramann kämpfte 2022 als Freiwilliger für die ukrainische Armee, ist aber nach einer Verletzung wehrdienstbefreit, wie seine Frau bestätigt. Sie hat eine ganz eigene Erklärung, worum es bei dem Vorfall geht.
„Sie haben gedacht, er wird schnell zahlen“Alexandra ZizenkoEhefrau des Kameramannes
"Sie haben kein Recht, ihn festzuhalten. Mein Mann ist vom Wehrdienst befreit", erklärt sie die Ausgangslage. "Ich glaube, sie haben gesehen, dass mein Mann beim ORF tätig ist und haben vermutet, dass er gut verdient." Deswegen hätten sie die Festnahme die ersten Tage auch nirgends registriert. "Sie haben gedacht, mein Mann wird schnell Geld zahlen, damit sie ihn freilassen."
Sie hat nun einen Anwalt engagiert, der ihr geraten hat, an jedem Ort, an den das Militär ihren Mann bringt, bei der Polizei eine Anzeige zu machen. "Ich habe mittlerweile 11 Anzeigen erstattet", schildert sie.
Sie erzählt weiter, wie sie ihrem Mann seit drei Tagen im Auto folgt, wenn er vom Militär an einen neuen Ort gebracht wird. Da er bis vor kurzem nicht offiziell festgenommen worden war, konnten ihn die TCK-Angehörigen auch nicht einfach in eine gewöhnliche Zelle stecken. Somit versuchten sie ihn immer wieder aufs Neue, ihn in Nacht-und-Nebel-Aktionen an einen neuen Ort zu bringen, wo ihn seine Frau nicht findet.
Doch Oleksandra ist hartnäckig. Sie schläft nachts im Auto und hat mir ihrem Mann geheime Codes vereinbart, mit der er sie über ein gut verstecktes Handy rechtzeitig informiert, wenn er an einen neuen Ort gebracht werden soll. Dann verfolgt sie ihn mit ihrem Auto – und hinter ihr die Kriminalpolizei, die sie so gut es geht unterstützt. Allerdings sei die Polizei weitgehend machtlos gegenüber dem Militär. "Sie lassen sie nicht zu ihm", so Alexandra.
Theoretisch darf das Militär jemanden nur drei Tage lang ohne konkrete Vorwürfe festhalten. Doch erst am vierten Tag, am Mittwoch den 10. September, sei erstmals die Festnahme ihres Mannes registriert worden, erzählt Alexandra. Somit begann die 3-Tages-Frist erst am Mittwoch zu laufen.
Sie ist mittlerweile guter Hoffnung, dass die zahlreichen Anzeigen bei unterschiedlichen Polizeistellen und die diplomatischen Bemühungen aus Österreich bald dazu führen werden, dass ihr Mann freigelassen wird. ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz habe bereits die österreichische Botschaft in Kiew alarmiert und das österreichische Außenministerium informiert, zeigt sie sich dankbar.
"Wir brauchen hier wirklich große Mächte, so wie ich das sehe, weil der Staat ist total korrupt, total korrupt", so Alexandra abschließend.
Die Angaben der Frau lassen sich nicht unabhängig prüfen.