Jugend süchtig nach Handy

"Für immer vorbei" – Experte lässt im ORF aufhorchen

Jugend und Handys: Australien verbietet Social Media unter 16, Experten warnen vor Sucht und Entzugserscheinungen. Die EU prüft ähnliche Schritte.
Newsdesk Heute
12.12.2025, 12:51
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Als erstes Land weltweit setzt Australien am Mittwoch ein Gesetz in Kraft, das die Nutzung einer Reihe von Onlinediensten erst ab 16 Jahren erlaubt. Social-Media-Plattformen wie TikTok, Twitch und Instagram müssen damit die Konten ihrer jüngeren Nutzer löschen. Das soll den Jugendlichen eine "normale Kindheit zurückgeben", heißt es seitens der Regierung.

Die Betreiber der Plattformen tragen die Verantwortung dafür, die richtigen Konten zu löschen. Den Plattformen drohen Geldstrafen in Höhe von umgerechnet 27 Millionen Euro, wenn sie keine "angemessenen Maßnahmen" zur Einhaltung der Vorschriften ergreifen.

"Soziale Medien sind gar nicht so sozial"

Prinzipiell zeigen Studien, dass sich handyfreie Zeit positiv auf das Wohlbefinden und den Schlaf auswirkt. Australiens Holzhammer-Vorgehen ist bisher jedoch beispiellos und die Entwicklung down under wird international aufmerksam beobachtet (werden). Könnte die EU es nachmachen? Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fühlt sich "inspiriert".

Jugendliche, so der Experte, seien "besonders gefährdet", in Social Medien hineinzukippen, weiß Gesundheitspsychologe Oliver Scheibenbogen. "Weil die Gehirnentwicklung erst mit ungefähr 28 bis 30 Jahren abgeschlossen ist. Zuvor ist es schwierig, so attraktiven Reizen wie TiktTok, Facebook, Snapchat und Co. zu widerstehen."

Oliver Scheibenbogen (r.) ist Gesundheitspsychologe.
APA-Images / KURIER / Gilbert No

Er macht sich deshalb im Ö1-Morgenjournal für eine Regulierung, "ob ein totales Verbot und ab 16 das Richtige ist, sei dahingestellt." Zwar seien diese Plattformen Teil des heutigen Lebens der Jugendlichen, allerdings nicht so sozial, wie deren Bezeichnung es erscheinen lässt.

„Soziale Medien sind gar nicht so sozial, wie man glaubt.“
Oliver Scheibenbogen

Mehrere Studien würden inzwischen zeigen, dass sich die Jugendlichen "social disconnected" fühlen, wenn der Konsum überhandnimmt. "Wie immer ist es so: Bei geringen Dosen hat es einen Vorteil, dann kommt irgendwo der Scheitelpunkt und ab einer gewissen Dosis entstehen eher Nachteile und negative Konsequenzen. Auch für die soziale Kompetenz", so der Gesundheitspsychologe.

Gerade Jugendliche müssten in der Realität lernen, sozial zu interagieren – "und zwar auf allen Kanälen: sehen, hören, tasten, riechen, schmecken. Das gehört alles zu einer realen Begegnung dazu." In den sozialen Medien werde das allerdings größtenteils auf visuelle Reize reduziert.

Für Scheibenbogen braucht es neben "Verhältnisprävention", der Stärkung der individuellen Kompetenz im Umgang mit diesen Plattformen, auch gesellschaftliche "Leitstrukturen".

"Wir haben noch keine Werte und Normen verinnerlicht, wie wir damit umgehen. Darf man das Handy beim Essen oder im Schlafzimmer verwenden?", sagt er. "Es ist ganz ganz wichtig, dass Eltern hier Regeln mit den Kindern erarbeiten, diese Regeln klar kommunizieren und sich selbst dann an der Nase nehmen." Denn das Phänomen betreffe zunehmend auch Erwachsene.

„Es ist wichtig, den Eltern den Rücken zu stärken und hier gesellschaftlich einfach Normen zu entwickeln.“
Oliver Scheibenbogen

Eltern befänden sich allerdings in einer Zwickmühle und seien oft überfordert, wenn bereits in der 2. Klasse Volksschule alle Kinder bis auf eins oder zwei ein Handy hätten. "Dort sind die Eltern ganz starken Konflikten ausgesetzt." Studien hätten gezeigt, dass es in Haushalten mit klaren Regeln zur Handynutzung immer wieder zu massiven Streits in der Familie kommt.

"Deswegen ist es wichtig, den Eltern den Rücken zu stärken und hier gesellschaftlich einfach Normen zu entwickeln", sagt Scheibenbogen, der auch das Experiment "Drei Wochen ohne Handy" mit rund 70 Schülern in Niederösterreich begleitet hat.

Entzugserscheinungen

Da zeigten sich Nebenwirkungen wie Einschlafprobleme und Kopfschmerzen bei den Kindern. "Das sind ganz klassische psychische Entzugserscheinungen", weiß der Experte. Dazu gehören auch eine gereizte Stimmung, Unruhe und Nervosität. Er hat aber eine gute Nachricht für alle, die damit hadern: "Das tritt nur kurzfristig auf und legt sich nach ein paar Tagen wieder. Und dann ist das für immer vorbei."

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 12.12.2025, 14:04, 12.12.2025, 12:51
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