Die Gewerkschaft vida hat am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien ihre Position für die Herbstlohnrunde bekräftigt und klargemacht: Abschlüsse unter der Inflation wird es nicht geben. "Ein Lohndiktat unterhalb der Inflation gefährdet unser Land, es gefährdet letztendlich unseren Sozialstaat und es schwächt auch unsere öffentlichen Leistungen", sagte vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit. Löhne seien "keine Sozialleistung, sie sind Abgeltungen für erbrachte Leistungen und sie orientieren sich an Angebot und Nachfrage". Gerade im Dienstleistungssektor hätten Gehaltserhöhungen eine enorme Bedeutung: "Jede Lohnerhöhung ist die wirksamste Konjunkturspritze, die wir uns vorstellen können."
Scharfe Kritik übte die Gewerkschaft daran, dass die Arbeitgeber im Falle der Eisenbahner am Montag mitten in laufenden Verhandlungen ihre Angebote zurückzogen, nachdem der Krisenabschluss von 1,4 Prozent in der Metallindustrie bekannt wurde. "Plötzlich haben die Arbeitgeber ihre gemachten Angebote zurückgenommen, weil sie einen kurzfristigen Vorteil gesehen haben. Die Gespräche wurden ergebnislos unterbrochen", ärgert sich Hebenstreit. Davon werde man sich jedoch nicht einschüchtern lassen. "Die Krise der Metallindustrie ist nicht die Krise des gesamten Landes."
Tatsächlich sei laut Gerhard Tauchner, Fachbereichsvorstand Eisenbahn in der vida, die Lage in der Eisenbahnbranche nicht mit jener in der Metallindustrie vergleichbar: "Die Eisenbahnbranche boomt, wir verlieren keine Arbeitsplätze, im Gegenteil, wir suchen Leute." Triebfahrzeugführer oder Zugbegleiter würden mittlerweile sogar auf der Mangelberufsliste stehen, das sei Wahnsinn. Die Branche habe in den letzten Jahren ihre Produktivität deutlich gesteigert, die Personalkosten seien gesunken.
Bereits im letzten halben Jahr habe man, so Tauchner, sehr erfolgreich Vorgespräche geführt, unter anderem über eine Attraktivierung der Berufsbilder, etwa durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine frühere Erreichbarkeit des Jubiläumsgelds. Auch bei der Einigung auf eine Abgeltung der rollierenden Inflation von knapp drei Prozent und – als zweiten Teil – eine Beteiligung am Betriebserfolg sie man auf einem guten Weg gewesen. Nach dem unerwarteten Rückzieher der Arbeitgeberseite müsse man nun zurück an den Start.
Auch in der Luftfahrt sei die Belastung enorm, schilderte Fachbereichsleiter Daniel Liebhardt. Österreichs Fluglotsinnen und Fluglotsen hätten 2024 rund 1,7 Millionen Flugbewegungen abgewickelt, heuer werde ein weiterer Zuwachs von über zehn Prozent erwartet – bei stagnierendem Personalstand. Die Überflugszentrale in Wien habe für rund 4.000 tägliche Flugbewegungen 140 Fluglotsen, in Frankreich gebe es für dieselbe Anzahl 300.
Gleichzeitig gehöre man zu den pünktlichsten und günstigsten Flugsicherungen in Europa. Doch das System stoße an seine Grenzen: "Wir stützen die Stabilität auf dem Rücken jener, die durch Überstunden und persönlichem Einsatz die Stabilität gewährleisten." Auf Dauer sei das nicht verantwortungsvoll, die Situation müsse sich bessern. Deshalb fordert man neben einer Inflationsabgeltung und einem fairen Anteil an dem gestiegenen Verkehrsaufkommen auch mehr Personal, mehr Ausbildung, mehr Entlastung und vor allem planbare Freizeit.
Für die Beschäftigten in den Lagern des Handels beschrieb Christine Heitzinger die Realität: Viele Kolleginnen und Kollegen würden in Kühllägern arbeiten, im Staub oder bei schwerer Stapelarbeit. Mit dem neuen Pfandsystem sei eine zusätzliche Arbeit hinzugekommen. Das alles sei "eine irrsinnige Dreckarbeit", so Heitzinger. Besonders Frauen seien betroffen, viele könnten aufgrund fehlender Kinderbetreuung nicht Vollzeit arbeiten.
"Wenn eine Vollzeitkraft 2.400 brutto verdient, bleiben 1.840 netto", rechnet Heitzinger vor. Das Geld gehe schon allein dafür drauf, die täglichen Lebenskosten zu begleichen. " Mit einem Lohnverzicht können unsere Kolleginnen gar nicht über die Runden kommen", fordert Heitzinger zumindest eine Inflationsabgeltung, "wenn nicht sogar kaufkraftstärkende Maßnahmen".
Auch in der Sicherheitsbranche sieht die Gewerkschaft dringenden Handlungsbedarf. Die Kolleginnen und Kollegen dort seien oft Übergriffen ausgesetzt und dürften damit nicht allein gelassen werden, sagt vida-Chef Roman Hebenstreit. Er fordert für die Beschäftigten in dieser boomenden Sparte zusätzlich zu einem Inflationsausgleich "auch einen entsprechenden Zuwachs", einen erweiterten Kündigungsschutz, Rechtsschutz bei Übergriffen und eine Berufsunfähigkeitsvorsorge, da Attacken nicht selten auch körperliche Folgen hätten.
Zusätzlich erinnerte Hebenstreit daran, dass im privaten Gesundheits- und Pflegebereich ebenso dringend Verbesserungen notwendig seien. "Wir alle wissen, dass im Gesundheitsbereich die Lage durchwegs angespannt ist. Wir leiden unter enormem Personalmangel." Es brauche nicht nur eine Inflationsabgeltung, sondern auch eine Attraktivierung der Berufe.