Dringende Warnung der Polizei

Fall Maddie: Verdächtiger Deutscher wird enthaftet

Er fällt in die "absolute Topliga der Gefährlichkeit", dennoch kommt er in ein paar Tagen frei. Die Staatsanwaltschaft fordert Auflagen.
Newsdesk Heute
10.09.2025, 10:49
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Nur wenige Tage vor der geplanten Entlassung aus dem Häf’n warnen die deutschen Ermittler vor möglichen Gefahren. Sie halten den Verdächtigen im Fall Maddie weiterhin für brandgefährlich. Deshalb will die Staatsanwaltschaft Braunschweig, dass der 48-jährige Deutsche nach seiner Freilassung zumindest eine elektronische Fußfessel tragen muss.

Der Mann, der schon mehrmals vorbestraft ist, steht unter Mordverdacht im Fall der kleinen Madeleine McCann. Die damals Dreijährige ist 2007 aus einer portugiesischen Ferienanlage verschwunden. Ein Gutachter stuft ihn sogar in "die absolute Topliga der Gefährlichkeit" ein. Trotzdem wird er jetzt auf freien Fuß gesetzt. Wie kann das sein?

Wie sn.at berichtet, läuft die Haftstrafe des Verdächtigen spätestens am 17. September ab. Das Landgericht Braunschweig hatte ihn 2019 wegen der Vergewaltigung einer 72-jährigen US-Amerikanerin in Portugal verurteilt. Laut Staatsanwaltschaft kann er das Gefängnis in wenigen Tagen verlassen – und ist dann wieder ein freier Mann.

Das Justizministerium in Hannover verweist auf die klare Rechtslage: Wer seine Strafe abgesessen hat, muss entlassen werden. Das gilt auch in diesem Fall. Außer der Verurteilung wegen Vergewaltigung gibt es aktuell nichts, was eine weitere Haft rechtfertigen würde.

Reicht der Mordverdacht nicht aus? Im Fall Madeleine McCann gibt es nach wie vor nur den Verdacht, dass Christian B. das Mädchen entführt und getötet hat. Die Ermittler sagen das auch offen. Aber: Es gibt keine Anklage – und die Unschuldsvermutung gilt weiterhin.

Verteidiger Friedrich Fülscher kritisiert schon seit Jahren eine "massive Vorverurteilungskampagne" gegen seinen Mandanten. "Hätte ein hinreichender Tatverdacht bestanden, so wäre längst Anklage erhoben worden", so Fülscher zur dpa.

Ist die Lage damit klar? "Rein rechtlich ja", sagt der psychiatrische Gutachter und Sexualwissenschaftler Johannes Fuß im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Nach sieben Jahren Haft ist irgendwann einfach Schluss mit dem Gefängnis.

Den Schutz der Allgemeinheit könne man dann nur noch durch Auflagen und Kontrolle erreichen, eine hundertprozentige Sicherheit gibt’s aber nicht. "Die Gesellschaft muss die Unsicherheit aushalten", sagt der Professor der Uni Duisburg-Essen.

Freiheit trotz Gefahr? Die Staatsanwaltschaft verweist darauf, dass ein Gutachter im jüngsten Prozess meinte, weitere Straftaten – besonders Sexualdelikte – seien zu erwarten. Die Gefahr bestehe auch deshalb, weil der Mann in Haft keine Therapie gemacht hat.

Er sei in "die absolute Topliga der Gefährlichkeit" einzuordnen, sagte der Arzt im September 2024 vor dem Landgericht Braunschweig. Allerdings konnte er nur eine Verdachtsdiagnose stellen, weil der Verdächtige nicht mit ihm reden wollte.

Im Prozess in Braunschweig warf die Staatsanwaltschaft dem Mann drei Vergewaltigungen und zwei Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern vor, die er zwischen 2000 und 2017 in Portugal begangen haben soll. Im Oktober 2024 wurde er aber freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt hat. Eine Entscheidung wird sich aber bis zur Haftentlassung nicht ausgehen.

Was macht die Staatsanwaltschaft jetzt? Sie versucht zumindest, dem Verdächtigen strenge Auflagen zu verpassen. Nach dem Willen der Ermittler soll er nach der Freilassung eine elektronische Fußfessel bekommen, einen festen Wohnsitz melden und das Land nicht ohne Zustimmung verlassen dürfen.

Ob das durchgeht, muss die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Hildesheim noch entscheiden. Es ist also noch offen, welche Auflagen nach der Entlassung tatsächlich gelten.

Warum steht der Mann im Fall Madeleine so im Mittelpunkt? Viele hoffen, dass durch die Ermittlungen das Schicksal des Mädchens doch noch geklärt wird. Der 48-Jährige ist mehrfach vorbestrafter Sexualstraftäter und hat Anfang der 2000er in Portugal gelebt. Die Vergewaltigung der 72-jährigen US-Amerikanerin, für die er 2019 verurteilt wurde, passierte in Praia da Luz – genau dort, wo auch Madeleine verschwand.

Die deutschen Ermittler sind überzeugt, dass der 48-Jährige das Kind entführt und getötet hat. "Und zwar allein er", sagt Hans Christian Wolters, Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig.

Die Ermittler betonen, dass sie in all den Jahren nichts gefunden haben, das den Verdacht entkräften könnte. "Keine entlastenden Beweise, kein Alibi, keinen Hinweis darauf, dass er nicht am Tatort gewesen sein könnte", fasst Wolters zusammen.

Warum gibt’s trotzdem keine Anklage? Offenbar gibt es keine belastbaren Indizien, meint Verteidiger Fülscher. Die Aussagen der Ermittler seien "in höchstem Maße bedenklich". Es sei nicht Aufgabe des Beschuldigten, seine Unschuld zu beweisen, so der Anwalt. Die Staatsanwaltschaft müsse den Tatnachweis erbringen – und ein Gericht überzeugen.

Was macht den "Fall Maddie" so besonders? Nach dem Verschwinden des Mädchens 2007 brach ein Mediensturm über den ruhigen Urlaubsort Praia da Luz herein. Eine professionelle PR-Maschinerie sorgte dafür, dass das Mädchen nicht in Vergessenheit geriet.

Vor allem die britischen Boulevardmedien stürzten sich auf den Fall, der weltweit für Aufsehen sorgte – wie kaum ein anderer Vermisstenfall. Sogar der Papst empfing die Eltern, und die britische Polizei steckte schon über 15 Millionen Euro in die Ermittlungen.

2020 überraschten Ermittler in einer TV-Sendung mit der Info, dass es einen deutschen Verdächtigen gibt. Nach mehr als zehn Jahren war das Interesse wieder riesig. Besonders die britische Öffentlichkeit lässt der Fall nicht los: Kaum eine Woche vergeht ohne neue Maddie-Schlagzeilen – jetzt, kurz vor der Freilassung des Verdächtigen, sowieso.

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 10.09.2025, 12:33, 10.09.2025, 10:49
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