Der Eurovision Song Contest kommt nicht zur Ruhe. Nach den Absagen mehrerer Rundfunkanstalten und der Rückgabe der Siegertrophäe durch ESC-Gewinner Nemo steht nun auch Deutschland im Fokus der Diskussion. Beim CSU-Parteitag in München äußerte sich Markus Söder überraschend deutlich und stellte erstmals öffentlich einen möglichen deutschen Rückzug in den Raum.
Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, reagierte der CSU-Chef auf die Boykotte anderer Länder mit einer scharfen Ansage. Länder, die den ESC in Wien boykottieren, griff Söder frontal an und erklärte sinngemäß: "Wenn die es nicht wollen, dann machen wir es halt auch nicht. Wir zahlen eh nur alles." Deutschland und Bayern stünden fest an der Seite Israels. Die Zeitung sprach von einem möglichen "Kontra-Boykottaufruf".
Ganz korrekt ist Söders Kosten-Argument allerdings nicht. Deutschland zahlt keineswegs "alles" für den Eurovision Song Contest. Der Großteil der Ausgaben für den ESC 2026 in Wien bleibt beim ORF als austragendem Sender.
Der deutsche Beitrag ist vergleichsweise überschaubar: Die Startgebühr des NDR lag zuletzt bei 472.277 Euro. Zum Vergleich: Die SRG, die den ESC in Basel ausrichtete, trug Kosten von rund 15 Millionen Franken, insgesamt soll der Wettbewerb die Schweiz sogar 54 Millionen Franken gekostet haben. Der deutsche Anteil lag damit bei rund 3,3 Prozent.
Auch finanziell würde ein Rückzug der boykottierenden Sender keine zusätzlichen Belastungen für die übrigen Länder bedeuten. Laut aktuellen Planungen sollen die Ausfälle nicht auf die verbleibenden Teilnehmer umgelegt werden.
Während Politiker über Boykotte diskutieren, wächst der Protest auch auf künstlerischer Ebene weiter. Nach Nemo kündigte nun auch Charlie McGettigan, ESC-Sieger von 1994, an, seine Trophäe aus Protest an die EBU zurückzugeben. Gemeinsam mit Paul Harrington gewann er damals für Irland mit "Rock 'n' Roll Kids".
Mit tragikomischem Unterton erklärte McGettigan jedoch, dass er seine Trophäe derzeit gar nicht finde. Sollte sie auftauchen, werde er sie ebenfalls zurückschicken.
Ob aus Söders Worten tatsächlich politische Konsequenzen folgen, ist offen. Fest steht jedoch: Erstmals steht nun auch Deutschland als möglicher ESC-Ausstieg im Raum.
Der Eurovision Song Contest ist damit nicht nur musikalisch, sondern auch politisch so aufgeladen wie selten zuvor.