Die katholische Kirche in Österreich verliert nicht nur Mitglieder – sondern jetzt auch Immobilien. Im niederösterreichischen Hirschwang an der Rax steht ein ganzes Gotteshaus zum Verkauf. Der Verkauf ist kein Einzelfall, sondern das Symptom einer tieferliegenden Entwicklung.
„Vor einer Woche war ich eingeteilt, eine Wortgottesfeier zu halten, doch es kam kein einziger Mensch in unsere Kirche“Romeo Reichelehrenamtlicher Diakon in Hirschwang
Das sagt auch der ehrenamtliche Diakon, Romeo Reichel, der seit bald 18 Jahren geweiht ist. Der 75-jährige Facharzt für Frauenheilkunde sieht sich als "spät berufen", wie er sagt. Zusammen mit Pfarrer Heimo Sitter und einem Vikar habe er versucht, die Kirche zum Hl. Josef der Arbeiter zu retten. Doch das war nicht zu machen.
"Vor einer Woche war ich eingeteilt, eine Wortgottesfeier zu halten, doch es kam kein einziger Mensch in unsere Kirche", erzählt Reichel. Er sei immer gläubig gewesen. Die Lehrer der Klosterschule der Schulbrüder im 15. Wiener Gemeindebezirk, die er als Volksschüler besuchte, seien sehr menschlich gewesen – das inspirierte ihn auch Schulbruder werden zu wollen.
Es sollte anders kommen: "Statt eines Lebens im Zölibat, wurde aus mir ein glücklich verheirateter Familienvater mit vier Kindern", sagt Reichel. Dann, es sei um die Jahrtausendwende gewesen, als der damalige Papst Johannes Paul II. Wien besuchte, sei er dem "göttlichen Ruf" gefolgt: "Tretet nicht aus, tretet auf", habe der Papst gefordert. So kam es, dass Reichel Diakon wurde. Seither sei viel passiert.
"Die naheliegende Papierfabrik mit vielen christlichen Arbeitern hat sich verkleinert. Auch die Wanderer, die früher immer am Sonntag um 17.15 Uhr zur Messe kamen, kommen nicht mehr", fasst Reichel zusammen und fügt an: "Mittlerweile ist das Kirchengebäude renovierungsbedürftig, es rechnet sich für die Erzdiözese Wien aber nicht mehr zu investieren."
Die Erzdiözese, schreibt, dass sie "beabsichtigt in Abstimmung mit der Pfarre Edlach an der Rax die Liegenschaft in Hirschwang an der Rax zu veräußern." Jetzt sucht man für das Kirchengebäude, samt Pfarrhof, neue Eigentümer. Der Kaufpreis liegt bei rund 240.000 Euro.
"Die Interessenten werden eingeladen, einen Besichtigungstermin der Liegenschaft nach Terminkoordination über die Pfarre Edlach an der Rax zu vereinbaren", heißt es seitens der Erzdiözese Wien: "Wobei sich eine geplante Umnutzung des Kirchengebäudes nicht erkennbar gegen die Interessen und Grundsätze der römisch-katholischen Kirche richten darf."
Strenge Auflagen gab es auch für Gernot Schubert. Er ist Geschäftsführer der Ventana Holding GmbH, einem Wiener Immobilienunternehmen, und hat in Korneuburg eine barocke Kirche inklusive Kloster gekauft. Nun ist geplant, das ehemalige Augustinerkloster in eine Eventlocation mit öffentlicher Nutzung umzuwandeln – ein weiterer Fall, der das Schrumpfen der Kirche als Gemeinschaft illustriert: Die sinkenden Gläubigenzahlen korrespondieren mit kaum genutzten Gebäuden.
Wie aus der aktuellen Kirchenstatistik von 2024 hervorgeht, traten 2023 exakt 85.163 Personen aus der katholischen Kirche aus. Damit lag die Zahl unter dem Rekordwert von 2022, als sich 90.975 Personen von der Kirche lossagten.
Im selben Zeitraum wurden nur 4.575 Personen neu oder wieder in die Kirche aufgenommen. Die Zahl der Taufen betrug 39.488. Auch hier verzeichnet die Kirche einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr.
"Es ist leider insgesamt so, dass wir uns immer mehr verkleinern müssen", sagt Romeo Reichel. In Rudolfsheim-Fünfhaus, ganz in der Nähe, wo Reichel einst in die Klosterschule ging, wurde schon vor 10 Jahren ein noch viel größeres Kirchengebäude aufgegeben.
Mittlerweile bröckelt die historische Fassade des beeindruckenden Ziegelbaus, der stellenweise fast 70 Meter in den Himmel ragt. "Für einen symbolischen Betrag wurde die Kirche Maria vom Siege an eine orthodoxe Gemeinde übergeben", sagt Reichel: "Doch auch die schaffen es nicht, das Gebäude zu erhalten."
