Übergriffe sind im heimischen Handel leider fast schon alltäglich. Laut Umfrage der Gewerkschaft GPA haben mittlerweile 39 Prozent der Handelsbeschäftigten Angst um ihre Sicherheit – wir berichteten.
Auch Markus P. (29) hat im Sporthandel in einer Wiener Filiale viel erlebt. Doch was er "Heute" erzählt, sprengt alles. "Ich hab’s zuerst gar nicht glauben wollen – aber einmal war die Umkleidekabine komplett durchnässt." Für den Ex-Verkäufer ist der Vorfall Sinnbild dafür, wie sehr der Respekt im Handel verloren gegangen ist.
"Es war wieder einer dieser Tage – zu wenig Personal, zu viele Leute, alle ungeduldig. Ich war im Verkaufsraum unterwegs, als ein Mann in die Umkleidekabine ging. Dabei hat er mich so schräg angegrinst – irgendwie respektlos, fast herausfordernd. Ich hab mir zuerst nichts dabei gedacht, aber es ist mir dann doch komisch vorgekommen."
Als der Kunde wieder draußen war, war sein Blick auffällig unbeteiligt – Markus wurde stutzig. "Ich bin zu der Kabine hin, hab kurz reingeschaut – und dann hab ich es gesehen: Der ganze Boden war nass. Er hat einfach reingemacht. Mit Absicht."
Markus blieb mit dem Ekel allein zurück. "Ich hab mich im ersten Moment nicht mal aufgeregt – ich war wie erstarrt. Man fühlt sich nicht nur körperlich beschmutzt, sondern auch als Mensch. Wie kann man jemanden so entwerten?"
"Ich hab den Job grundsätzlich gern gemacht. Aber das war einer dieser Momente, wo du denkst: Es interessiert niemanden, wie es dir geht."
Markus schildert, dass solche Vorfälle keine Ausnahme sind. "Es ist nicht nur dieser eine Typ. Es ist die Grundhaltung vieler Kunden: 'Du bist da, also musst du dich alles gefallen lassen.' Ich wurde schon angeschrien, weil ich nicht gleichzeitig mehr als drei Leute bedienen konnte. Manche beschimpfen dich, weil du eine Reklamation nicht sofort löst."
Die Teams in vielen Filialen seien nach Corona kleiner geworden – der Frust bei den Kunden größer. "Du wirst zur Zielscheibe. Viele lassen ihre ganze Wut an dir aus. Und du sollst ruhig bleiben, lächeln, funktionieren."
Laut einer neuen Umfrage der Gewerkschaft GPA haben fast die Hälfte der Handelsangestellten bereits Gewalt oder Belästigung erlebt. 8,4 Prozent allein im vergangenen Jahr. Die GPA fordert verpflichtende Schutzmaßnahmen: psychologische Hilfe, Gewaltschutzbeauftragte, klare Mindestbesetzungen.
Doch aus der Wirtschaftskammer heißt es: unrealistisch, nicht finanzierbar. Für Markus ein Schlag ins Gesicht. "Wir sollen gleichzeitig Verkäufer, Security und Mülleimer sein – aber dürfen nicht mal erwarten, dass jemand hinter uns steht, wenn’s ernst wird?"
Der Vorfall mit der Kabine war der Moment, in dem für Markus etwas gekippt ist. "Nicht weil es eklig war – sondern weil ich plötzlich wusste: Wenn heute was passiert, bin ich allein. Ich hab dann angefangen, den Job zu hinterfragen."
Heute arbeitet er in einem anderen Bereich. Und doch denkt er manchmal zurück an das, was er damals schlucken musste. "Ich hoffe einfach, dass sich irgendwann was ändert. Dass man nicht mehr alles aushalten muss, nur weil man im Verkauf arbeitet."