Warum das eine Baby gefühlt durchweint und das andere buddhistisch in sich ruht, ist vielen Eltern ein Rätsel. Man versucht alles, um den Kleinen ihre Wünsche zu erfüllen – trotzdem gibt es Kinder, die scheinbar mit nichts zufriedenzustellen sind. Die Antwort auf diese gravierenden Unterschiede könnte in der DNA des Kindes liegen.
Eine große Zwillingsstudie aus Schweden zeigt, dass die Genetik einen überraschend großen Einfluss darauf hat, wie viel Babys weinen und wie schnell sie sich beruhigen. Andererseits wird das nächtliche Aufwachen hauptsächlich durch den Familienalltag und das häusliche Umfeld beeinflusst.
Die in JCPP Advances veröffentlichte Studie verfolgte 998 Zwillinge im Alter von 2 und 5 Monaten und verglich eineiige Zwillinge (die 100 % ihrer DNA teilen) mit zweieiigen Zwillingen (die etwa 50 % ihrer DNA teilen), um genetische Einflüsse von Umwelteinflüssen zu trennen.
Die Eltern füllten Fragebögen zum Schlaf-, Beruhigungs- und Schreiverhalten ihrer Babys im Alter von zwei und fünf Monaten aus. Die Studie erfasste, wie oft die Babys nachts aufwachten, wie lange sie zu verschiedenen Tageszeiten brauchten, um zur Ruhe zu kommen, und wie lange sie tagsüber, abends und nachts schrien.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Häufigkeit des nächtlichen Aufwachens stark von gemeinsamen Umweltfaktoren beeinflusst wurde. Das bedeutet, dass Zwillinge im selben Haushalt ähnliche Aufwachmuster aufwiesen, unabhängig davon, ob sie eineiig oder zweieiig waren. Das deutet darauf hin, dass Haushaltsroutinen, Erziehungspraktiken oder andere familiäre Faktoren die Hauptursachen für nächtliches Aufwachen sind.
Die Schreidauer verriet eine andere Geschichte. Genetische Faktoren erklärten einen erheblichen Teil der individuellen Unterschiede in der Schreidauer – insbesondere abends und nachts. Im Alter von zwei Monaten waren genetische Faktoren für 44 bis 46 % der Schreiunterschiede verantwortlich. Nach fünf Monaten hatte dieser genetische Einfluss dramatisch zugenommen und erklärte 64 bis 70 % der Unterschiede beim Schreien.
Die Fähigkeit, zur Ruhe zu kommen, zeigte auch starke genetische Einflüsse, hauptsächlich im Alter von fünf Monaten, wenn das Nervensystem von Babys ausgereift ist. Manche Babys werden einfach mit besseren Selbstberuhigungsfähigkeiten geboren.
Abschließend lässt sich also sagen, dass genetische Einflüsse im Allgemeinen zwischen dem zweiten und fünften Monat zunahmen, während Umwelteffekte meist altersspezifisch waren.
Obwohl die Genetik eine bedeutende Rolle spielt, bleiben Umweltfaktoren wichtig, speziell für nächtliches Aufwachen und während der frühen Entwicklung. Gemeinsame Umwelteinflüsse, die alles vom Erziehungsstil bis zum Geräuschpegel im Haushalt umfassen, hatten den stärksten Einfluss auf nächtliches Aufwachen und machten 61 bis 90 % der Unterschiede zwischen Babys aus.
Diese Umwelteinflüsse schienen über die Zeit hinweg bestehen zu bleiben. Die Studie ergab, dass 56 % der gemeinsamen Umweltfaktoren, die das nächtliche Aufwachen im Alter von fünf Monaten beeinflussten, dieselben Faktoren waren, die das Aufwachen im Alter von zwei Monaten beeinflussten. Konsistente Haushaltsmuster und -routinen haben dauerhafte Auswirkungen.
Zu den faszinierendsten Entdeckungen der Studie gehörte ein Zusammenhang zwischen dem genetischen Risiko für Autismus und dem Schreiverhalten von Säuglingen. Babys mit höheren polygenen Autismus-Scores – das heißt, sie trugen mehr genetische Varianten, die mit Autismus-Spektrum-Störungen in Verbindung gebracht werden – weinten im Alter von zwei Monaten abends länger.
Die Forscher betonten jedoch, dass dies nur ein Ergebnis unter vielen sei und weitere Forschung nötig sei, um diesen Zusammenhang zu verstehen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass Eltern auf Schlaftraining oder Beruhigungstechniken verzichten sollten. Umweltfaktoren spielen nach wie vor eine große Rolle, und die Studie zeigte, dass sich diese Einflüsse im Laufe der Zeit ändern können. Eltern von quengeligen oder schlecht schlafenden Babys sollten sich daher nicht selbst die Schuld geben, wenn Standardtechniken nicht sofort wirken. Manche Babys sind einfach genetisch zu bestimmten Verhaltensmustern veranlagt.
Da sich das Gehirn von Babys in den ersten Lebensmonaten rasant entwickelt, scheint sich das Gleichgewicht zwischen genetischen und umweltbedingten Einflüssen zu verschieben. Genetische Faktoren traten bei vielen Verhaltensweisen im Alter von fünf Monaten stärker hervor als im Alter von zwei Monaten. Dies deutet darauf hin, dass mit der Reifung des Nervensystems angeborene Tendenzen bei Säuglingen deutlicher werden.