In Neunkirchen kam es am Montagmorgen zu einem unerwarteten Politbeben. Nach nur 379 Tagen im Amt legt Bürgermeisterin Klaudia Osztovics (VP) ihre Funktion nieder – eine Entscheidung, die sich zwar in den vergangenen Tagen abgezeichnet hatte, aber scheinbar erst am Wochenende endgültig gefallen ist. Die Stadtchefin gab einer Zeitung noch am Sonntagnachmittag ein letztes, emotionales Gespräch im Rathaus.
Dass ihr Rücktritt unmittelbar bevorstehen würde, war nicht offiziell bestätigt, doch Gerüchte kursierten bereits. In ihrem Büro, so schildert es die "NÖN", habe sie 20 Minuten lang offen über die Gründe gesprochen. Selten habe man sie so erschöpft und angegriffen erlebt, heißt es. Die vergangenen Wochen, sagte Osztovics, hätten deutliche Spuren hinterlassen.
Gesundheitlich gehe es ihr gar nicht gut, so Osztovics: "Ich musste die Notbremse ziehen", sagte sie – und führte aus, dass sie das Amt nur so lange ausüben wollte, wie ihre Gesundheit es zulasse. Schlaflose Nächte, zunehmende körperliche Beschwerden und politische Belastungen hätten sie schließlich zu diesem Schritt gezwungen.
In ihrer offiziellen Mitteilung an die Bürger begründete Osztovics den Rückzug ebenfalls mit gesundheitlichen Gründen. Sie blickte auf ihre Zeit als Bürgermeisterin mit Dankbarkeit zurück und hob die Loyalität der Verwaltung sowie die Zusammenarbeit im Gemeinderat hervor. Sie wolle der Stadt weiterhin als Bürgerin und Nachbarin verbunden bleiben. Sämtliche politischen Ämter legt sie zurück, das Gemeinderatsmandat eingeschlossen. Die Neuwahl ihrer Nachfolge ist bereits fixiert: Am 1. Dezember wird der Gemeinderat darüber entscheiden, wer künftig an der Spitze der Stadt stehen soll.
Mit dem Rücktritt gehen die Amtsgeschäfte kurzerhand automatisch auf Vizebürgermeister Marcus Berlosnig über. Der FPÖ-Politiker zeigt sich selbst überrascht vom Abtritt seiner Kollegin. Er werde die Exekutivbefugnisse rechtmäßig ab Dienstag 00:00 Uhr übernehmen. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass die scheidende Bürgermeisterin nun einwöchige Bedenkzeit habe, um endgültig über ihr Mandat zu entscheiden.
Eine Empfehlung über ihre tatsächliche Nachfolge will Osztovics nicht abgeben. Als Nachfolger für das Bürgermeisteramt in Neunkirchen steht jetzt Wolfgang Kessler in den Startlöchern. Der Unternehmer und Wirtschaftsbund-Obmann gilt laut internen Diskussionen in der VP-Fraktion als "naheliegende Lösung", setzte sich laut "NÖN" innerhalb der ÖVP gegen die beiden Stadträte Peter Teix und Thomas Rack durch.
Kessler ist Gemeinderat und gilt als erfahren in der Kommunalpolitik von Neunkirchen, seine Kandidatur wird dem Vernehmen nach vom Koalitionspartner positiv betrachtet.
Doch der Rücktritt erfolgt in einer Phase, in der die politische Lage in Neunkirchen ohnehin angespannt ist. Wie "Heute" berichtete, hat die FPÖ Niederösterreich kürzlich sieben Mandatare ausgeschlossen, nachdem diese einem gemeinsam mit der ÖVP ausgearbeiteten Sparpaket zugestimmt hatten. Die Landespartei sprach von einem "Verrat am Wähler", während die ausgeschlossenen Mandatare von fragwürdigen Vorgehensweisen auf Landesebene sprachen. Die Koalition im Gemeinderat steht damit unter zusätzlicher Beobachtung. Osztovics’ Abgang verstärkt die Unsicherheit in den kommenden Wochen.