Sichtlich gezeichnet von inzwischen fast elf Monaten Untersuchungshaft, abgemagert, mit tiefen Augenringen betrat René Benko am Mittwoch den Schwurgerichtssaal am Landesgericht Innsbruck, wo ihm der zweite Prozess wegen des Vorwurfs betrügerischer Krida gemacht wurde. "Heute" war live vor Ort und erlebte den gefallenen Immo-Jongleur nicht nur vor der Richterin und dem Schöffensenat - sondern auch auf einer emotionalen Hochschaubahn.
Denn erstmals nach seiner Verhaftung heuer im Jänner traf Benko seine Ehefrau Nathalie wieder. Im Gerichtssaal, sie war mitangeklagt. Fast elf Monate haben sich die beiden nicht gesehen. Ihren Mann im Gefängnis zu besuchen, wurde Nathalie Benko nicht gestattet, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft dürfte Absprachegefahr gewittert haben. Nicht einmal überwacht telefonieren durften die beiden.
Benkos Anwalt Norbert Wess hält diese Maßnahme für "gesetzeswidrig": "Die beiden haben immerhin drei gemeinsame Kinder." Jeder Mafiaboss dürfe aus dem Gefängnis mit seiner Frau telefonieren und über die Kinder reden, empört sich Wess, der für Benko gegen diese Restriktion kämpft, aber seit Monaten auf eine diesbezügliche Gerichtsentscheidung wartet.
Jetzt also die erste Begegnung des Ehepaars. Vor Gericht. Nathalie Benko kam als letzte mit ihrem Anwalt in den Saal. Kurzer Blickwechsel mit René Benko, dann wollten sie aufeinander zugehen, sich zumindest die Hand geben - das ließen die den Hauptangeklagten flankierenden Justizwachebeamten nicht zu. Die ganze Verhandlungsdauer saß zwischen den Eheleuten eine Sicherheitsbeamtin.
Fast neun Stunden dauerte die Verhandlung. Gelegentliche Blickkontakte gab es, aber meist schauten René und Nathalie Benko starr nach vorne, hörten konzentriert zu. Beide dunkel gekleidet, er im Anzug mit Krawatte, sie im schwarzen Kostüm mit längerem Rock, eine große Brille im Gesicht, aus der Entfernung wirkte sie ungeschminkt. Als er von der Richterin gebeten wurde, nach vorne zu kommen, musste auch sie aufstehen - um ihn hinter sich vorbeizulassen.
Nathalie Benko trank Wasser, er Red Bull. Vor allem er ließ bei manchen Ausführungen der Staatsanwälte oder Zeugen Unmut erkennen, schüttelte den Kopf, blätterte in seinen Akten. Auch sie schien gelegentlich irritiert.
„Ich möchte die Emotionen meines Mandanten nicht breittreten, aber es war erkennbar, dass die Situation heute für beide nicht einfach war.“Norbert WessVerteidiger von René Benko
Nach der Urteilsverkündung - René Benko wurde nicht rechtskräftig teilschuldig gesprochen und fasste 15 Monate bedingt und eine Geldstrafe aus, Nathalie Benko ging frei -, als sich die Menge im Saal zerstreute, ließen die Sicherheitsbeamten doch noch eine kurze Umarmung zwischen beiden zu. Sie drückten sich, wechselten wenige Worte, dann war's das schon wieder.
"Ich möchte die Emotionen meines Mandanten nicht breittreten, aber es war erkennbar, dass die Situation heute für beide nicht einfach war", kommentierte Anwalt Wess auf Nachfrage im Anschluss.
René Benko wurde nach dem Prozess von der Justizwache zügig zurück ins "Ziegelstadl", wie das Innsbrucker Gefängnis genannt wird, gebracht. Dort erwartete ihn zum Abendessen Pizzabaguette...
Wie es jetzt weitergeht für den Milliardenpleitier? Vorerst dürfte er in der Justizanstalt in seiner Heimatstadt Innsbruck bleiben, wohin er im Oktober für seinen ersten Prozess von Wien überstellt worden war. Das Gericht habe entschieden, dass Benko bis auf Weiteres und ohne Ablauffrist in Innsbruck bleiben könne, sagt Wess.
Benko hat eine Einzelzelle, beschäftigt sich Tag für Tag viele Stunden mit Prozessakten. Für den aktuellen Prozess hatte er mit seinem Anwalt eine 27-seitige Gegenäußerung zur Anklage verfasst. Jeden Satz habe er gemeinsam mit Benko formuliert, sagt Verteidiger Wess.
In Innsbruck dürfte es Benko immerhin "besser" gehen, da er zumindest Besuch von seinen Kindern haben kann.
Die U-Haft werde man jetzt aber "zeitnah überprüfen lassen", kündigt Anwalt Wess an. Sein Mandant sei zwar im aktuellen Prozess nicht glatt freigesprochen worden, am Ende des Tages habe es aber "nur" eine bedingte Freiheitsstrafe in einem kleinen Bereich gegeben. Eine "Tatbegehungsgefahr", welche als Grund für die U-Haft angegeben wird, sei wohl kaum gegeben.