Die Schweiz ist bekannt für ihre Pünktlichkeit – manchmal vielleicht sogar für die Überpünktlichkeit. Auf der Social-Media-Plattform Reddit ist ein Nutzer gerade wegen dieser Pünktlichkeit verärgert. Er wollte kürzlich eine Fahrt aufnehmen, mit dem Postauto in Winterthur. Durch "EasyRide" – also die Funktion der SBB am Anfang der Fahrt mit einem Wisch einzuchecken und am Ende der Fahrt wieder auszuchecken – wollte er so seine Fahrt lösen.
Als er via EasyRide eincheckte, war es bereits 10:08:15 – laut der zuständigen Stelle war der Bus jedoch um 10:08:14 abgefahren. Diese eine Sekunde kam ihn teuer zu stehen: Weil der Fahrgast zum Zeitpunkt der Abfahrt keine gültige Fahrkarte vorweisen konnte, wurde ihm ein Zuschlag von 250 Franken – umgerechnet fast 270 Euro – verrechnet.
Im Betrag enthalten war ein Aufpreis, da die betroffene Person bereits mehrfach gebüßt worden war. Der Fall sorgt online für Diskussionen – zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer zeigen sich verärgert und berichten von ähnlichen Erfahrungen. Es scheint sich also nicht um einen Einzelfall zu handeln.
"Ich war richtig verärgert", sagt der betroffene Fahrgast. Er habe doch nur eine Sekunde zu spät geswiped und müsse nun trotzdem einen Zuschlag bezahlen – obwohl er doch eine Fahrkarte hatte. "Das ist unfair", sagt er. Der Fall hat in den Kommentaren eine Diskussion ausgelöst. Viele zeigen sich allerdings wenig überrascht: Sie berichten von ähnlichen Erfahrungen und kritisieren die strikte Handhabung. Mehrfach fällt dabei der Kommentar, es sei "typisch Bünzli-Schweiz" (Spießbürger, Anm.), dass man selbst für eine minimale Verspätung gebüßt werde.
Ein Kommentar zieht den Vergleich zur Nationalhymne – so typisch schweizerisch sei diese Form von Pünktlichkeit. "Bei einer Sekunde kann das genauso gut an der Latenz liegen – das lässt sich doch gar nicht eindeutig nachweisen", zweifeln mehrere Nutzer. In den Kommentaren wird aber auch deutlich: Viele wünschen sich in solchen Fällen eine gewisse Grauzone – oder zumindest etwas Kulanz. Die Realität sieht jedoch anders aus.
Auf Anfrage stellt die Medienstelle der Alliance SwissPass klar: "Laut Tarif gilt: Wenn das Fahrzeug losfährt, muss das Billett gültig sein." Dabei würde es keine Rolle spielen, ob es sich nur um Sekunden oder Minuten handle. Diese Regelung lasse sich schweizweit anwenden, für jeden Ort und jedes Transportmittel. "Darum empfehlen wir Reisenden, schon vor dem Einsteigen ins Fahrzeug einzuchecken, damit das Billett bei der Abfahrt sicher gültig ist", fügen sie hinzu.
Im vorliegenden Fall habe der Fahrgast "kein gültiges Billett" vorweisen können. In solchen Fällen werde in der Regel ein Zuschlag von 100 Franken verhängt – vorausgesetzt, es handle sich um einen Erstverstoß. Dieser Betrag setze sich zusammen aus 90 Franken für das Fahren ohne gültigen Fahrausweis sowie 10 Franken für Servicegebühren. Die Regelung sei damit klar definiert. Der Fall zeigt also: In Sachen Pünktlichkeit zählt in der Schweiz offenbar wirklich jede Sekunde.