Der Ski-Weltverband FIS reagiert auf die jüngsten schweren Unfälle im alpinen Ski-Zirkus – und beschließt Maßnahmen, um die Sicherheit in den Speed-Disziplinen zu erhöhen. Nach dem tödlichen Trainingssturz des Italieners Matteo Franzoso in Chile und zahlreichen Horror-Crashs der vergangenen Saison, etwa von Aleksander Aamodt Kilde in Wengen oder Cyprien Sarrazin in Bormio, herrscht Alarmstimmung im Weltcup.
Bei der Ratssitzung in der Schweiz legte die FIS nun neue Sicherheitsstandards fest – auch Österreichs ehemaliges "Golden Girl", Ski-Ikone Alexandra Meissnitzer, war in ihrer neuen Funktion als Leiterin von Sonderprojekten im Präsidialbüro beteiligt.
Neben verpflichtenden Airbags – künftig auch im Training – sollen "Bildungsinitiativen" und ein "Kulturwandel" helfen, das Risiko für Athletinnen und Athleten zu senken.
"Ski alpin ist per Definition eine Hochrisikosportart – das wird sich nie ändern", sagte FIS-Präsident Johan Eliasch. "Was sich ständig weiterentwickeln muss, ist die Sicherheitskultur, die den Sport umgibt, auf allen Ebenen – im Wettkampf wie im Training."
Bis zum kommenden Frühjahr sollen alle Abfahrtstrainingsstrecken weltweit überprüft und die nationalen wie internationalen Richtlinien überarbeitet werden. Eine eigene Arbeitsgruppe unter den Renndirektoren Markus Waldner und Peter Gerdol wird neue Maßnahmen entwickeln und testen – sie sollen zur Saison 2026/27 einsatzbereit sein.
Erst vor wenigen Tagen hatte sich Aleksander Aamodt Kilde in einem emotionalen Interview zu Wort gemeldet. Der Norweger, der selbst im Jänner 2024 in Wengen schwer gestürzt war, forderte ein Umdenken: "Vielleicht müssen wir am Fundamentalen ansetzen – die Geschwindigkeit, die Netze, die Witterung. Wenn wir die Durchschnittsgeschwindigkeit drosseln würden, würde das einen großen Unterschied machen", sagte er gegenüber Eurosport.
Kildes Worte galten vielen als Hilferuf eines Stars, der um die Gefahren seines Sports besser weiß als kaum ein anderer. Der 32-Jährige hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach auf zu riskante Kurssetzungen und unberechenbare Bedingungen hingewiesen.
Doch nicht alle teilen die Ansicht des Norwegers. Dominik Paris, einer der erfahrensten Speedfahrer im Weltcup, reagierte deutlich: "Das ist nicht der Weg. Wenn wir anfangen, Abfahrten zu entschärfen, ist es nicht mehr das, was unseren Sport ausmacht", sagte der Südtiroler in einem Interview mit dem Blick.
Paris, dem der Tod seines Landsmanns Franzoso "sehr nahegegangen" sei, sieht die Probleme an anderer Stelle. "In den Speed-Disziplinen ist das Geradeausfahren das Ungefährlichste. In den meisten Fällen sind es die Kurven, die den Abfahrern zum Verhängnis werden."
Er forderte die FIS auf, präziser zu differenzieren und "nicht alle Stürze in denselben Topf zu werfen". So könne man etwa die Unfälle von Kilde und Sarrazin nicht vergleichen – "die Umstände waren völlig unterschiedlich".
Ein konkreter Vorschlag kommt ebenfalls von Paris: Ein unabhängiger Arzt solle künftig entscheiden, ob ein Athlet nach einem Sturz oder einer Erkrankung wieder starten darf – ähnlich wie in der Formel 1 oder MotoGP. "In diesen Sportarten sagt der Medical Director, wann ein Pilot zurück auf die Rennstrecke darf. Das würde ich mir auch im Ski-Weltcup wünschen", so der Super-G-Weltmeister von 2019.
Die Diskussion um mehr Sicherheit begleitet den Skisport seit Jahrzehnten – doch selten war sie so intensiv wie jetzt. Zwischen technischer Aufrüstung, strukturellem Wandel und der Angst vor weiteren Tragödien versucht die FIS, das Gleichgewicht zwischen Spektakel und Sicherheit neu zu definieren.
Eines steht nach den Worten von Eliasch fest: "Die FIS ist entschlossen, mit gutem Beispiel voranzugehen, höchste Standards zu setzen und positive Veränderungen in unserem Sport voranzutreiben."