Oprah Winfrey, Demi Moore, Elon Musk, Khloé Kardashian, Kelly Osbourne, Amy Schumer: Der Einsatz von Ozempic, Wegovy und anderen Appetithemmern wird immer beliebter. Doch nicht für jeden sind die Medikamente geeignet - oder leistbar. Je nach Produkt kommt die Therapie im Monat auf 200 bis über 500 Euro.
Zudem handelt es sich um rein medizinische Präparate und keine Lifestyle-Produkte. Im Gegensatz zum weitverbreiteten Glauben sind Abnehmspritzen nicht dazu bestimmt, Personen mit normalem Gewicht dazu zu verhelfen, wieder in das knappe Sommerkleid oder die Lieblingshose zu passen.
Was wirklich hinter der sogenannten Abnehmspritze steckt, wie sie wirkt und was nach dem Absetzen passiert, hat "Heute" die Medizinerin Verena Parzer von der Adipositas-Ambulanz in Wien Landstraße und Mitglied der Österreichischen Adipositas Gesellschaft gefragt.
Was ist die Abnehmspritze?
Dr. Verena Parzer: Bei der Abnehmspritze handelt es sich um sogenannte Inkretinmimetika.
Wie wirkt die Abnehmspritze?
Diese Medikamente wirken in unserem Hunger- und Sättigungszentrum (Hypothalamus) und induzieren das Sättigungsgefühl. Zusätzlich wird die Insulinfreisetzung gefördert und damit der Blutzuckerspiegel verbessert. Weiters kommt es zu einer verzögerten Magenentleerung, welche auch zum Sättigungsgefühl beträgt.
Welche Produkte gibt es?
Zur Therapie der Adipositas sind aktuell Liraglutid (Saxenda), Semaglutid (Wegovy) und Tirzepatid (Mounjaro) zugelassen.
Welche kommen am häufigsten zum Einsatz?
Saxenda war das erste zugelassene und am Markt befindliche Medikament zur Therapie der Adipositas. Wegovy wird ab September auf dem österreichischen Markt erhältlich sein, bisher konnte das Medikament beispielsweise nur über Deutschland bezogen werden. Mounjaro ist seit dem Vorjahr auf dem österreichischen Markt. Der Einsatz selbst war zuletzt von der Verfügbarkeit und den Preisen mitbestimmt.
Wie wird die Abnehmspritze angewendet?
Es erfolgt eine Injektion in das Unterhautfettgewebe, sprich subkutan. Liraglutid muss einmal täglich verabreicht werden, während Semaglutid und Tirzepatid einmal wöchentlich verabreicht werden.
„Liraglutid muss einmal täglich verabreicht werden, während Semaglutid und Tirzepatid einmal wöchentlich verabreicht werden.“
Für wen ist die Abnehmspritze geeignet?
Eine gewichtsreduzierende medikamentöse Therapie ist zugelassen bei einer Adipositas mit einem Body-Mass-Index ab 30 kg/m2 oder bei Übergewicht mit einem BMI ab 27 kg/m2 und mindestens einer Gewichts-assoziierten Begleiterkrankung, zusätzlich zu einer Lebensstiloptimierung. Eine weitere Indikation wäre ein bestehender Typ 2 Diabetes.
Gibt es Personen, abgesehen von jenen ohne entsprechender Erkrankung, die keine Abnehmspritze bekommen sollten?
Die sogenannten Abnehmspritzen sind zwar wirksame Medikamente zur Gewichtsreduktion, jedoch nicht für alle Menschen geeignet. Ob eine solche Therapie indiziert und geeignet ist, muss immer individuell durch eine Ärztin oder einen Arzt evaluiert werden. Dazu werden unter anderem die medizinische Vorgeschichte, aktuelle Beschwerden und Erkrankungen erhoben. In bestimmten Fällen ist die Anwendung sogar kontraindiziert. Personen mit einem medullären Schilddrüsenkarzinom oder der genetischen Erkrankung MEN2 in der Eigen- oder Familienanamnese sollten eine solche Therapie nicht erhalten. Bei Bauchspeicheldrüsenentzündung in der Vorgeschichte, insbesondere unklarer Ursache, kann ebenfalls Zurückhaltung geboten sein. Aufgrund begrenzter Daten wird von einer Verabreichung während der Schwangerschaft abgeraten.
Sind Abnehmspritzen für jeden frei zugänglich?
Nein, es handelt sich um verschreibungspflichtige Medikamente. Es muss eine fachärztliche oder allgemeinmedizinische Begutachtung erfolgen, um zu evaluieren, ob eine solche Therapie für die Patientin oder den Patienten infrage kommt.
Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?
Leider werden die Kosten einer entsprechenden medikamentösen Therapie bei der Erkrankung Adipositas nicht von den Krankenkassen übernommen und sind von den PatientInnen selbst zu zahlen. Ein Sonderfall ist hier die Möglichkeit einer zeitlich begrenzten Erstattung von Liraglutid (Saxenda) bei Menschen mit Adipositas, die in Vorbereitung auf eine bariatrische Operation, wie einen Magenbypass, sind. Bei Typ 2 Diabetes kann bei gewissen Bedingungen, wie eine unzureichende Blutzuckerkontrolle unter bereits bestehender Medikation oder vorliegende Herz-Kreislauf- oder Nierenerkrankung, eine Kostenübernahme beantragt werden.
Wie viel kann ich mit der Abnehmspritze abnehmen?
Das Ausmaß der Gewichtsreduktion hängt unter anderem vom eingesetzten Präparat, individuellen Faktoren, Begleiterkrankungen und dem Lebensstil ab. Im Studiensetting zeigte sich unter Semaglutid 2,4mg (STEP1-Studie) ein durchschnittlicher Gewichtsverlust von nahezu 15 Prozent, unter Liraglutid 3,0mg (SCALE-Studie) etwa 8 Prozent und unter Tirzepatid 15mg (SURMOUNT-1) bis zu 20 Prozent des Ausgangsgewichts.
Welche Nebenwirkungen oder Risiken gibt es?
Nebenwirkungen umfassen vor allem gastrointestinale Beschwerden, wie Übelkeit, selten Erbrechen oder Verdauungsbeschwerden wie Durchfall oder Verstopfung. Auch Sodbrennen kann auftreten. Durch einen raschen und ausgeprägten Gewichtsverlust kann es manchmal zur Bildung von Gallensteinen kommen, die zu Beschwerden führen können. Vor allem zu Therapiebeginn kommen Nebenwirkungen häufig vor und bessern sich über die Zeit. Daher wird auch mit einer niedrigen Anfangsdosis der Medikamente gestartet. Bei guter Verträglichkeit kann die Dosis im Verlauf gesteigert werden.
Wie lange dauert die Behandlung?
Adipositas ist eine chronische Erkrankung, die eine dauerhafte Behandlung erfordert. Wird die medikamentöse Therapie abgesetzt, so kommt es bei einem Großteil der Patientinnen und Patienten wieder zu einer Gewichtszunahme.
Worauf muss ich nach dem Absetzen achten?
Grundsätzlich hält die Wirkung an, solange die Spritze regelmäßig verabreicht wird. Für eine tatsächlich erfolgreiche Therapie ist jedoch immer auch eine gleichzeitige Umstellung des Lebensstils erforderlich. Sprich, der nachhaltige Lebensstil sollte nach dem Absetzen konsequent beibehalten werden.
„Nach Absetzen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ohne eine weitere Behandlung und nachhaltige Lebensstiländerungen das Gewicht in den Folgemonaten wieder ansteigt.“
Besteht die Gefahr eines Jojo-Effekts nach dem Absetzen?
Nach Absetzen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ohne eine weitere Behandlung und nachhaltige Lebensstiländerungen das Gewicht in den Folgemonaten wieder ansteigt. Innerhalb von einem Jahr nach Absetzen des Medikaments kommt es im Durchschnitt zu einer Wiederzunahme von zwei Drittel des verlorenen Gewichts. Auch die unter Therapie gebesserten Risikomarker wie Blutdruck oder Blutzucker können wieder zum Ausgangswert zurückkehren.
Gibt es Alternativen zur Abnehmspritze?
Das Basisprogramm der Adipositastherapie umfasst die Lebensstiländerung mit Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie. Eine weitere Säule, neben der Pharmakotherapie, ist die bariatrische Chirurgie, wie Schlauchmagen, Magenbypass.