Am 4. Juni wurde der Bürgermeister der kleinen Waldviertler Gemeinde Pölla (Bezirk Zwettl), Günther Kröpfl (ÖVP), wegen Amtsmissbrauch verurteilt – 12 Monate bedingt, derzeit nicht rechtskräftig, da Kröpfl Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet hat.
Die ÖVP Niederösterreich sprach von "juristischen Spitzfindigkeiten", die zur Verurteilung wegen eines "Formfehlers" geführt hätten und ortet ein "Klima der Einschüchterung" gegenüber vielen Bürgermeistern der Partei – wir berichteten. "Heute" sprach jetzt mit dem betroffenen Landwirt.
"Mein Verdacht ist, dass so etwas nur aus purer Bosheit passieren kann", sagt Gerhard M., der in Pölla 2020 drei Bauprojekte zur Bauverhandlung eingereicht und auch bewilligt bekommen hat. Nachdem alles fertiggestellt war, erhält er Anfang September 2023 einen Brief mit der Aufforderung, eine Geländeschüttung mit Stützmauer bei seiner Hauszufahrt wieder abzureißen.
Das wollte sich M. vom Bürgermeister seiner Heimatgemeinde nicht gefallen lassen: "Der Pferdestall war lange errichtet, auch die Ferienwohnung bereits umgestaltet. Und die besagte Stützmauer war im August 2023 fertig aufgestellt – nur um gleich wieder abgerissen zu werden? Da habe ich meinen Anwalt kontaktiert." Dem Bürgermeister sollte das schließlich 12 Monate bedingt einbringen.
Das brisante Detail daran: Hätte M. mit seinem Anwalt nicht Einspruch erhoben, dann wäre der Abbruchbescheid nach vier Wochen Frist vollumfänglich gültig geworden. "Dann hätte ich alles wieder abtragen müssen", sagt Gerhard M., der überzeugt ist, dass so etwas schon einigen anderen passiert sei.
Doch statt Abbrucharbeiten kam es zu Einvernahmen: "Der Bürgermeister und auch der Sachverständige, die sich zuvor dreimal meine Einfahrt angesehen haben, waren zur Polizei geladen. Auch ich gab meine Wahrnehmung zu Protokoll."
"Mein Klient hat als Opfer des mutmaßlichen Amtsmissbrauchs und Privatbeteiligter des Strafverfahrens ein legitimes Interesse daran, dass über die Gründe des Schuldspruchs und über den Verlauf der Hauptverhandlung wahrheitsgemäß berichtet wird", sagt Peter Hora, der Anwalt von Gerhard M.
Hora ergänzt: "Am 4. Juni 2025 wurde Bürgermeister Günther Kröpfl wegen Amtsmissbrauchs schuldig gesprochen und zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Die Einleitung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Krems geht auf die Sachverhaltsdarstellung meines Klienten zurück."
"Es ist richtig, dass die Vorsitzende des Schöffensenats in der mündlichen Urteilsbegründung von einer Signalwirkung des Urteils gesprochen hat. Was bedeutet das?", fragt Hora, nur um im nächsten Satz zu antworten: "Der wichtigste Zweck eines Strafurteils ist die Prävention."
Der Angeklagte und die Öffentlichkeit sollen aufgrund der verhängten Strafe von der Begehung solcher Taten abgeschreckt werden. Entgegen den Äußerungen des Bürgermeisters und der ÖVP, sei es nicht bedenklich, dass das Urteil Signalwirkung haben soll, "sondern seine ureigenste Aufgabe".
Denn: "Wem die Republik Österreich hoheitliche Befugnisse einräumt, der muss sorgsam und verantwortungsvoll damit umgehen. Missbrauchen Bürgermeister ihre hoheitlichen Befugnisse wissentlich, also wider besseren Wissens, handelt es sich um kein Kavaliersdelikt, sondern um eine schwere Straftat."
Genau zu dieser Überzeugung sei auch der Schöffensenat gelangt, erklärt Hora. Das Gremium habe es als erwiesen angesehen, "dass der Bürgermeister seine hoheitlichen Befugnisse nicht nur vorsätzlich, sondern wider besseren Wissens, also wissentlich missbraucht hat."
In Richtung ÖVP sagt der Anwalt: "Wissentlichkeit ist ein besonders qualifizierter Vorsatz. Es ist also unrichtig, dass dem Bürgermeister kein Vorsatz vorgeworfen wird."
Weiters sei von der ÖVP behauptet worden, dass Bürgermeister Günther Kröpfl während seiner gerichtlichen Vernehmung, am 4. Juni 2025, das Trinken von Wasser vorenthalten wurde. Richtig sei, dass "die Senatsvorsitzende mit der weiteren Vernehmung innegehalten hat, bis ihm von einem seiner beiden Strafverteidiger eine Flasche Wasser gebracht wurde. Erst nachdem der Bürgermeister getrunken hat, wurde die Vernehmung fortgesetzt."
Es sei richtig, dass die Verhandlung deutlich länger als angesetzt gedauert hat, aber daran sei nichts unüblich: "Der Senat hat sich mit den Vorwürfen laut Anklage genau auseinandergesetzt", sagt Hora.
Und noch etwas stellt der Anwalt gegenüber den Aussagen der ÖVP klar: "Die persönliche Bereicherung ist kein Tatbestandsmerkmal des Amtsmissbrauchs und wird dem Bürgermeister auch nicht vorgeworfen."
Dann fasst Hora die Urteilsfindung noch einmal zusammen: "Der Schöffensenat hat den Bürgermeister nicht schuldig gesprochen, weil er einen bloßen Formfehler begangen hat. Der Bürgermeister wurde schuldig gesprochen, weil der Senat zur Überzeugung gelangt ist, dass der Bürgermeister in Bauverfahren und in einer Strafanzeige an die Verwaltungsstrafbehörde wissentlich einen bestehenden Baubescheid ignoriert und meinem Klienten und der Republik Österreich Schaden zufügen wollte (bedingter Schädigungsvorsatz)."
Natürlich dürfe sich auch Bürgermeister Günther Kröpfl bis zu einem allfälligen rechtskräftigen Urteil auf die Unschuldsvermutung berufen: "Da er Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet hat, ist das Urteil nicht rechtskräftig", so Hora.
Doch die Urteile von Schöffensenaten in Strafsachen können nur eingeschränkt bekämpft werden, denn: "Mit der Nichtigkeitsbeschwerde können nur Rechtsmängel im Urteil und schwere Verfahrensmängel im Strafverfahren bekämpft werden", hält Hora fest: "Die Beweiswürdigung des Schöffensenats kann grundsätzlich nicht bekämpft werden. Mit der Berufung kann nur die Strafhöhe bekämpft werden."