In der Wirtschaftskammer Österreich brennt der Hut: Präsident Harald Mahrer steht wegen einer saftigen Gehaltserhöhung von über 2.600 Euro, aber auch verwunderlichen Erhöhungen der Gehälter von Wirtschaftskammer-Granden quer durch die Bundesländer massiv in der Kritik.
Gar nicht so sehr wegen der Erhöhungen selbst, sondern dem Selbstverständnis und der Kommunikation rund um den Geldregen. Unternehmer und Politiker fordern mittlerweile mehr oder weniger offen seinen sofortigen Rücktritt, sehen ein fatales Sittenbild.
Besonders deutlich wurde die Tiroler Adler Runde, eine Vereinigung mit 30.000 Beschäftigten. Sie wirft Mahrer "Realitätsverlust" und fehlende Bodenhaftung vor. Auch aus der ÖVP kommt kaum noch Rückendeckung – selbst Landeschefs wie Johanna Mikl-Leitner sprechen von einem "Frontalschaden", ohne das Wort Rücktritt direkt in den Mund zu nehmen.
Neben dem Gehalt sorgt auch die Finanzlage der Kammer für Zündstoff: Laut Agenda Austria liegen über 2,2 Milliarden Euro Rückstellungen in der Kammer auf Eis.
Ob Mahrer bleibt oder geht, ist nach wie vor offen – doch der Druck wächst täglich und hinter vorgehaltener Hand wurde bereits gemunkelt, dass ein Verbleib sich nicht mehr ausgehen könne. Die Unternehmerbasis hat offenbar genug von Schlagzeilen und Stillstand.
Politikberater Thomas Hofer ordnete die Geschehnisse am späten Mittwochabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Armin Wolf ein. "Ich glaube nicht, dass sich das für ihn ausgeht", so Hofer dazu, ob sich Mahrer trotz der vielen und lauten Rücktrittsforderungen auf seinem Posten halten werde können. "Das war ein wirklicher Ausnahmefall", so Hofer zum Ausmaß der Kritik.
Ein Aber: "Er selber, glaube ich, sieht das noch zur Stunde anders." Mahrer gebe sich "nicht nur zerknirscht", sondern "er gibt sich sehr kämpferisch". Im kleinen Kreis habe Mahrer erklärt, es seien "die Pharisäer", die ihn nun kritisieren würden, zuvor aber alles mitbeschlossen hätten, so Hofer. "Möglicherweise findet das noch in ein paar Kapiteln seine Fortsetzung.
Kritiker hätten allerdings bereits "ein klares Übergangsszenario, das ist schon relativ klar festgelegt, wie es an der Spitze nach Mahrer weitergehen soll". Warum sei bei Wöginger der Aufschrei so leise gewesen, bei Mahrer aber so riesig, obwohl nichts Illegales passiert sei? "Ich glaube das ist so ein Amalgam unterschiedlicher Gründe", so Hofer, es habe sich in der Wirtschaftskammer "so einiges aufgestaut".
Die Gagendiskussionen seien dann "der Tropfen" gewesen, "der das Fass zum Überlaufen gebracht hat", so der Experte. Zudem gebe es jetzt wohl einige Personen, die anders als bei Wöginger die Situation zu nutzen gewusst hätten. Hätte es im Fall Wöginger allerdings die Diversion nicht gegeben, hätte der Wirtschaftsbund wohl "zum Halali auf den Klubobmann geblasen", schätzte Hofer.
Das nächste Wirtschaftsparlament gebe es Ende November, dabei sei vorgesehen, dass die erste Vizepräsidentin Martha Schultz, interimistisch übernehme. Das sei aber nicht als lange Lösung vorgesehen, sondern nur "bis jemand Neuer gefunden ist". Das Problem laut Hofer: "Natürlich sind auch andere beschädigt in dieser gesamten Causa." Die Affäre gehe "ganz tief", die Wirtschaftskammer habe "die Einheitlichkeit der Botschaft" verletzt.
Wer monatelang Lohnzurückhaltung fordere und dann selber diese Regel breche, "dann ist der Schaden natürlich ein maximaler", so Hofer. Wäre Karlheinz Kopf als Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg – dort wurden die Gehälter anders als in den meisten anderen Bundesländern nicht erhöht – ein geeigneter Nachfolger für Mahrer? Kopf sei zwar "weniger beschädigt", so Hofer, sehe sich aber wohl selbst "nicht als das Erneuerungssignal".
Es brauche nicht nur auf der personellen, sondern auch auf der organisatorischen und inhaltlichen Ebene einen Neustart. Gerade für die FPÖ mit "ihrer Anti-System-Message" sei Causa "eine Steilvorlage", befand Hofer: "Für den Herr Kickl ist das ein verfrühtes Christkindl." Könne jetzt sogar die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer wackeln? Es habe sich in der "Koalition einiges verschlimmert", man habe das Gefühl, "an einem Dead-End" angekommen zu sein, so Hofer. Einig sei man sich aber noch, dass man an diesen Grundfesten nicht rüttle.