Die Teuerung trifft gerade die ärmsten Menschen mitten ins Herz. Während die Preise für Strom und Lebensmittel Woche für Woche steigen, wird im Sozialmarkt "soogut" in St. Pölten sichtbar, wie sehr die Krise den Alltag verändert.
Die Niederösterreicherin Ilse (Name von der Redaktion geändert) ist Anfang 60 und trägt Verantwortung, die viele überfordern würde: Neben ihrer knapp bemessenen Pension sorgt sie für ihren achtjährigen Enkel. "Die Preise steigen weiter. Ich habe Angst, dass es nicht reicht", erzählt sie.
Jede Stromrechnung, jeder Einkauf im Supermarkt bringt neue Sorgen. Im Sozialmarkt findet sie zumindest ein wenig Entlastung – und das Gefühl, mit ihrer Situation nicht allein zu sein.
Dieses Gefühl kennt auch Melitta. Mit 65 lebt sie von der Mindestpension, spart, wo sie nur kann. Kleidung gibt es in ihrer Welt nur gebraucht, die Waschmaschine teilt sie sich mit dem Nachbarn. Im Gespräch wählt sie bedrückende Worte: "Ich habe zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig." Doch zwischen den Regalen des Sozialmarkts findet sie nicht nur günstige Lebensmittel, sondern auch soziale Kontakte, die ihr Halt geben und ihr Leben heller machen.
Ursula Oswald engagiert sich seit der Gründung 2004 bei Sozialmärkten in Niederösterreich. Sie möchte Aufmerksamkeit darauf werfen, wie viele Menschen sich eigentlich für Hilfe des Sozialmarkts qualifizieren würden – und wie wenige darüber Bescheid wissen.
"Unsere Einkommensgrenzen orientieren sich an der offiziellen Armutsgefährdungsschwelle. Vielen Betroffenen ist gar nicht bewusst, dass sie mit ihrem kleinen Einkommen im Sozialmarkt einkaufen können. Die günstigen Preise bedeuten für die Kunden und Kundinnen eine große Erleichterung im Alltag", erklärt Oswald.
Die Schwelle zur Armutsgefährdung übernehmen Sozialmärkte von der EU-SILC-Befragung, die Einkommen und Lebensbedingungen misst. Wer unter der Schwelle liegt, qualifiziert sich für den Einkauf im Sozialmarkt.
Beim "soogut" Sozialmarkt darf einkaufen, wer im Ein-Personen-Haushalt unter € 1.660 monatlich zum Leben hat – netto. Bei zwei Personen pro Haushalt liegt die Grenze bei € 2.490. Mit jedem Kinder unter 14 Jahren steigt die Armutsschwelle um rund € 498 Euro zum Eltern-Anteil. Bei einer alleinerziehenden Mutter mit einem zwölfjährigen Kind liegt die Einkommensgrenze also bei ca. € 2.158.
Praktisch: Studierende, Zivildiener, Grundwehrdiener und Schüler können auch ohne Einkaufspass Lebensmittel einkaufen – sie müssen nur ihren Ausweis vorlegen.
Für die Ausstellung müssen Einkommensnachweise, ein aktueller Meldezettel aller im Haushalt lebenden Personen sowie ein Lichtbildausweis vorgelegt werden. Besonders wichtig: Familienbeihilfe, Pflegegeld und Alimente werden nicht zum Einkommen dazugerechnet, wodurch auch viele Familien mit geringem Budget Anspruch haben.
Oswald: "Wir rechnen nur das tatsächliche Einkommen. Familienbeihilfe oder Alimente werden nicht dazugerechnet – und wenn Alimente zu zahlen sind, wird dieser Betrag vom Einkommen abgezogen."
Viktoria hat der Sozialmarkt in ihrer größten Not geholfen. Mit 47 blickt sie auf eine schwierige Zeit zurück. "Ich konnte über lange Zeit nur Teilzeit arbeiten, ich musste jeden Cent umdrehen. Das war hart. Heute habe ich aber wieder eine Vollzeitstelle – das erleichtert mich unheimlich." Der Sozialmarkt war für sie ein Rettungsanker in ihrer schwersten Zeit. Heute ist sie unabhängig, nimmt die Hilfe aber nicht für selbstverständlich: "Ohne soogut hätte ich die schlimmste Zeit nicht überstanden."
"Wir wissen, dass der erste Einkauf im Sozialmarkt für viele eine Überwindung ist. Deshalb legen wir Wert auf ein normales Einkaufserlebnis: Unsere Kund:innen nehmen Einkaufswägen und wählen die Produkte selbst aus. Nur bei wenigen, knapp verfügbaren Artikeln – etwa Toilettenpapier – gibt es Mengenbeschränkungen, die sich an die Haushaltsgröße richten", so Oswald. Bis auf die verringerte Auswahl und reduzierten Preise kommt der Sozialmarkt dem Supermarkt sichtlich ähnlich.
Oswald: "Unsere Kund:innen bezahlen ihren Einkauf ganz normal an der Kassa. Sie entscheiden selbst, was sie brauchen und wofür sie ihr Geld ausgeben. Manche erzählen, dass sie sich durch die Ersparnis sogar einmal einen Kaffeehausbesuch gönnen können – etwas, das sonst nicht möglich wäre."
Aufruf des "soogut" Sozialmarkts
Derzeit werden dringend ehrenamtliche Helfer in Korneuburg, Stockerau, St. Pölten und Tulln gesucht. Interessierte können sich bei Ursula Oswald unter [email protected] oder telefonisch unter 0676 880 44 654 melden.
Und weiter: "Im Sozialmarkt verkaufen wir auch immer wieder Blumensträuße. Solche Kleinigkeiten bedeuten vielen unserer Kunden viel. Da sehen wir direkt, wie diese Menschen mit einem einfachen Strauß Blumen aufblühen."