"Werden Beitrag einfordern"

Kanzler: Geld für Flüchtlinge nur, wenn sie arbeiten!

Job oder gemeinnützige Tätigkeit sind für Migranten künftig Pflicht: Im "Heute"-Interview lässt Bundeskanzler Christian Stocker (VP) nun aufhorchen.
Clemens Oistric
03.06.2025, 18:00
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Exakt drei Monate ist Christian Stocker nun als Regierungschef der ersten Dreier-Koalition Österreichs im Amt. Zum "Heute"-Interview im Brigitte-Bierlein-Zimmer kommt der VP-Grande gut gelaunt. "Besser als manche glauben und andere sich wünschen", antwortet er auf die Frage nach seinem Befinden.

In der Regierung drückt er aufs Tempo. Die Sozialhilfe will er "so schnell wie möglich" neu regeln; die Wirtschaft durch "mehr Zuversicht und Leistung" wieder in Schwung bringen ...

Das "Heute"-Interview

"Heute": Herr Stocker, Sie sind nun drei Monate Bundeskanzler. Was hat sich in Ihrem Leben am stärksten verändert?

Christian Stocker: Mir kommen diese drei Monate persönlich fast vor wie drei Jahre, sie waren sehr intensiv. Was sich zum Beispiel verändert hat, ist, dass ich nun sehr oft auch internationale Termine wahrnehmen darf – alles unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer einfach, aber eine Aufgabe, die ich sehr gerne erfülle.

Sie kommen aus der Kommunalpolitik, lernen jetzt die Weltbühne können. Wofür schlägt Ihr Herz?

In der Kommunalpolitik lernt man, die kleinen Probleme zu lösen. Das ist keine schlechte Voraussetzung, um auch große Probleme lösen zu können. Wofür mein Herz schlägt? Für die Menschen in diesem Land.

Sind Sie auch noch mit Ihrer Heimat Wr. Neustadt verbunden?

Ganz eng. Es ist meine Heimatstadt, auch meine beiden Kinder leben dort.

Video: Der komplette Kanzler-Talk

Hand aufs Herz: Wie oft sind Sie heuer schon mit Ihrer Vespa gefahren?

Gar nicht. Das Pickerl ist abgelaufen und die Batterie ist leer.

Leer sind auch die Staatskassen. Am enormen Defizit, das Sie in den ersten Monaten Ihrer Amtszeit arbeiten mussten, ist auch die ÖVP nicht unschuldig. Im Gegenteil: Die Volkspartei hat jahrzehntelang den Finanzminister gestellt. Als gelernter Anwalt: Wie würde Ihr Plädoyer aussehen?

Ich würde mit dem Schuldbegriff vorsichtiger sein. Man tut Magnus Brunner – dem Finanzminister der vorigen Periode – unrecht, wenn man ihn verantwortlich macht für das Budgetdefizit. Dieses resultiert auch aus Prognosen, die nicht eingetreten sind, das wirkt sich natürlich auf den Haushalt aus. Gleichzeitig wurden die geplanten Staatsausgaben um 1,7 Milliarden Euro unterschritten. Das Budget ist also nicht aus dem Ruder gelaufen!

Wir kennen das: Am Ende ist nie jemand schuld. Aber Hand aufs Herz: Wie konnte es wirklich so weit kommen, dass Österreich derart klamme Staatskassen hat?

Einerseits ist das Wirtschaftswachstum unter den Erwartungen geblieben – ein Prozentpunkt weniger Wirtschaftswachstum bedeutet ein um 0,5 Prozentpunkte höheres Defizit. Andererseits sind zwar die verfügbaren Einkommen gestiegen, das Geld ist aber am Sparkonto gelandet und nicht in Form von Konsum in die Wirtschaft geflossen.

Österreich hat auch heuer kein Wirtschaftswachstum – übrigens als einziges EU-Land. Wie können wir gegensteuern?

Wir brauchen mehr Zuversicht – wenn jemand Unsicherheit in der Zukunft sieht, legt er das Geld eher zurück, als dass er es ausgibt. Daher haben wir ein Mittelstandspaket geschnürt, treiben den Bürokratie-Abbau in den Unternehmen voran und honorieren Leistung, etwa durch die steuerfreie Mitarbeiterprämie.

„Die Frage ist nicht: Ist eine Regierung groß oder klein, sondern ist sie gut oder schlecht.“
Christian StockerBundeskanzler (ÖVP)

Ihr Wirtschaftsminister hat bereits angekündigt: Wir werden alle auch mehr arbeiten müssen. In Ihrem Fall – Sie sind nun 65 – auch länger …

Ich bin ein Beispiel für Arbeiten im Alter, ja. Wer jedoch sein Leben lang körperlich schwer gearbeitet hat, wird nicht über das gesetzliche Pensionsalter hinaus arbeiten können. Generell gilt: ohne Fleiß, kein Preis. Wenn man so will, ist das eine Binsenweisheit. Aber von nichts kommt halt auch nichts. Und wenn man etwas haben will, wird man sich dafür anstrengen müssen.

Der Bevölkerung wird aktuell ein hartes Sparprogramm abverlangt. Auf der anderen Seite ist die Regierung mit 21 Mitgliedern die teuerste aller Zeiten. Ist das nicht eine schiefe Optik?

Man kann das so auflösen. Fakt ist aber: Die Politik hat mit Nulllohnrunden einen Beitrag geleistet. Die Frage ist ja nicht, ist eine Regierung groß oder klein, sondern ist sie gut oder schlecht. Mein Anspruch ist, dass wir eine erfolgreiche Regierung für die Menschen in diesem Land sind.

NEOS-Staatssekretär Sepp Schellhorn liefert einen Skandal nach dem anderen. Ist er eine Belastung für Ihre Regierung?

Ich möchte mich nicht an dieser Diskussion beteiligen. Ich denke, wir haben ganz andere Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Die Wirtschaftsleistung muss höher werden, wir haben Aufgaben im Integrations- und Sicherheitsbereich …

… aber Sie werden mir recht geben, dass Schellhorn im Bereich der Deregulierung rasch liefern wird müssen, oder?

Ich sehe das Liefern als gemeinsame Regierungsaufgabe.

„Wir werden von allen, die zu uns kommen und von der Gesellschaft Leistungen beziehen, einen Beitrag einfordern.“
Stocker im Interview mit "Heute"-Chefredakteur Clemens Oistric
Sabine Hertel

Was kann man sich konkret in den nächsten Monaten erwarten?

Die Regierung hat einen großen Reformwillen – das zeigt etwa die Pensionsreform. Am Freitag geht es mit den Landeshauptleuten um die Bereiche Bildung, Energie und Gesundheit. Im Dreiklang "Sanieren, Konsolidieren, Reformieren" soll letztlich Wachstum generiert werden. Dann werden wir auch die Finanzierungsbasis für staatliche Leistungen wieder breiter machen können.

Bei Ihrem Amtsantritt wollten Sie auch den 1,4 Millionen FPÖ-Wählern ein Angebot machen. Wie sieht das aus?

Im Regierungsprogramm ist ein breites Angebot enthalten. Die Zahlen von Innenminister Gerhard Karner im Migrationsbereich sind besser, als die von Herbert Kickl in seiner Zeit. Mit dem Integrationsprogramm ist klar: Wir werden von allen, die zu uns kommen und von der Gesellschaft Leistungen beziehen, auch einen Beitrag einfordern.

Wie soll dieser Beitrag aussehen?

Vorzugsweise durch Arbeit. Wenn das nicht möglich ist, dann durch gemeinnützige Tätigkeit. Jeder soll einen Beitrag leisten, damit wir auch hier die Gratis-Mentalität verlieren.

Verstehe ich Sie richtig: Migranten, die nach Österreich kommen, sollen verpflichtend gemeinnützige Arbeit verrichten?

Wenn Sie von der Gesellschaft etwas haben wollen, sollen sie auch etwas zurückgeben. Wer keine Leistung bezieht, muss auch keinen Beitrag leisten. Aber es ist ein Geben und Nehmen – und es geht nicht nur ums Nehmen …

Ein Thema, das die Gemüter erhitzt, sind die teils extrem hohen Mindestsicherungsbeträge. 9.000 Euro Sozialhilfe – das können Arbeitnehmer niemals verdienen. Verstehen Sie den Unmut?

Selbstverständlich, es ist auch nicht nachvollziehbar. Wir haben uns im Regierungsprogramm darauf verständigt, die Sozialhilfe bundesweit einheitlich neu zu regeln.

Wie schnell soll dies geschehen?

Geht es nach mir, dann so schnell wie möglich.

Die Höhe der Mindestsicherung ist regional unterschiedlich – Wien hat etwa andere Beträge vorgesehen als Nieder- oder Oberösterreich. Wo wollen Sie ansetzen?

Natürlich ist nicht der Höchstbeitrag die Latte, bei der wir ansetzen möchten.

Seit Beginn des Jahres sind die Stromrechnungen durch ein Drittel höhere Netzkosten wieder massiv angestiegen, das beschwert die Bevölkerung massiv. Wird die Regierung hier gegensteuern?

Wir wollen uns dem Energiebereich mit einer Reform in den Strukturen intensiv widmen und streben eine Dämpfung der Energiekosten an. Bei den Netzkosten, die auf der Stromrechnung besonders spürbar sind, wollen wir etwa die Genehmigungsverfahren vereinfachen. Damit wird es auf der Stromrechnung weniger und verteuert sich nicht durch die lange Laufzeit.

Kommt auch die Strompreisbremse zurück?

Die Stromkosten waren bei der letzten Regierung billiger, weil sie mit Steuergeld gestützt worden sind. Wir werden uns mit der Energiewirtschaft darüber unterhalten, ob jede Preisdämpfung unmittelbar Steuergeld kosten muss oder ob wir andere Varianten finden. Das ist natürlich auch eine Anbieterfrage. Wir werden ein Augenmerk darauf haben, dass die Wettbewerbsfähigkeit in der Wirtschaft nicht verloren geht.

Abschließend: Wie sehr beschäftigen Sie sich mit aktuellen Meinungsumfragen?

Sie kennen das Sprichwort: Umfragen sind wie Parfüm – man soll daran schnuppern, aber nicht davon trinken …

Herr Bundeskanzler, vielen Dank für das Gespräch.

{title && {title} } coi, {title && {title} } Akt. 03.06.2025, 18:25, 03.06.2025, 18:00