Die Zahlen der Meinungsforscher, die der ersten Dreier-Koalition neun Monate nach Amtsantritt einen überschaubar guten Start attestieren, beunruhigen Gerhard Karner nicht: "Unser Auftrag ist zu arbeiten und nicht auf Umfragen zu schauen", sagt der Innenminister.
"Heute" trifft ihn im Ministerium in der Wiener Herrengasse zum Interview. Die Amtsräume sind schon festlich dekoriert. Fotos vor dem Christbaum oder beim Entzünden eines Adventkranzes gibt es mit dem Innenminister dennoch nicht – Instagram-Politik lehnt der 58-jährige Niederösterreicher ab und verweist lieber auf die Haltung der Regierung: "Diese Koalition mit Bundeskanzler Christian Stocker an der Spitze ist gewillt, ganz konkrete Dinge umzusetzen", wischt er Kritik über ein zu geringes Arbeitspensum der Bundesregierung vom Tisch.
Karner: "Zuletzt wurden etwa das Billigstromgesetz, Arbeiten im Alter oder das Bürokratie-Abbauprogramm beschlossen. Erst diese Woche wurde der Stopp des Familiennachzugs um ein weiteres halbes Jahr verlängert. Die Gefährder-Überwachung und die Verschärfung des Waffengesetzes haben wir schon vor Monaten auf den Weg gebracht."
Bundeskanzler Stocker mache seine Arbeit "exzellent", so der Innenminister: "In turbulenten Zeiten bedarf es an der Spitze einer Person, die die nötige Ruhe mitbringt, aber auch Konsequenz zeigt – dafür ist Christian Stocker prädestiniert."
Das Thema Sicherheit in der im Wahlkampf ausgegebenen ÖVP-Doktrin ("Leistung, Familie, Sicherheit") nehme die Volkspartei ernst: "Mit Klaudia Tanner im Verteidigungsministerium – das ist aufgrund der internationalen Lage ganz wesentlich – und hier im Innenministerium", erläutert Karner. Nachsatz: "Der Bundeskanzler hat in meinem Ressort null Toleranz bei irregulärer Migration vorgegeben – und das ziehen wir ganz konsequent durch." Heißt konkret? "Erstmals Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan. Dieser Weg wird fortgesetzt."
Dass das BMI dafür – auf Beamtenebene – mit den Taliban verhandeln muss, nimmt er in Kauf. Die öffentlich geäußerte Kritik von Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner habe er "nicht als Vorwurf, sondern als Beitrag zur Debatte empfunden".
„Wir haben einen Schutzgürtel um Österreich in Umsetzung – mit Kontrollen nicht nur an den Grenzen selbst, sondern auch im Hinterland.“Gerhard KarnerInnenminister (ÖVP)
Mit der Verteidigungsministerin definiere die Regierung aktuell auch den Grenzschutz neu: "Wir haben einen Schutzgürtel um Österreich in Umsetzung – mit Kontrollen nicht nur an den Grenzen selbst, sondern auch im Hinterland. Da geht es nicht um die Interessen einer Partei, sondern darum, was notwendig ist, um die Sicherheit zu gewährleisten. Das sehe ich als zentrale Aufgabe."
Trotz des großen Spardrucks werde bei der Sicherheit nicht gespart, räumt Karner mit Gerüchten nach Kürzungen bei der Polizei und ihren Sondereinheiten auf: "Wir sparen bei Asyl, das ist richtig, weil die Zahlen dort ganz deutlich zurückgehen. Und wir verschlanken die Verwaltung. Bei der Sicherheit gibt es keine Kürzungen. Erst diese Woche gab es in Schönbrunn eine große Ausmusterung mit über 430 Polizistinnen und Polizisten. Die Stärkung der Exekutive geht also weiter, um den höchsten Personalstand, den es je gab, nachhaltig abzusichern."
„Wir konnten durch konsequenten Grenzschutz die illegalen Übertritte massiv reduzieren.“
Wie bei Asyl gespart wird? "Wir konnten durch konsequenten Grenzschutz die illegalen Übertritte massiv reduzieren. An der burgenländischen Grenze haben wir an manchen Tagen null illegale Migration – das entlastet das System."
Wie er – nach dem entsetzlichen Terror-Anschlag von Sydney – die Sicherheitslage in Österreich einschätzt? "Es gilt die zweithöchste Terrorwarnstufe, nämlich 4 von 5. Daher wurden zusätzliche Maßnahmen ergriffen, die sichtbare Polizeipräsenz und die verdeckten Ermittlungen erhöht", erläutert der Innenminister.
Auch beim Schutz großer Menschenansammlungen habe die Polizei Routine – sei es bei Konzerten, Sport-Veranstaltungen oder Weihnachtsmärkten: "Wenn man durch die Stadt geht und die vollen Christkindlmärkte sieht, unterstreicht das, dass sich die Menschen sicher fühlen. Das ist wohl das Wichtigste."
Was der ÖVP-Politiker zur Debatte um die Bezeichnung Winter- statt Christkindlmarkt sagt? Nichts. "Es gibt Dinge, mit denen beschäftige ich mich nicht. Bei uns kommt seit jeher das Christkind. Philosophische Debatten lehne ich zutiefst ab", so Karner.
„Nur hinhauen auf den Bund ist meiner Meinung nach ein bisschen wenig Arbeit.“
Sehr wohl nimmt er Stellung zu der von Niederösterreichs Vize-Landeschef Udo Landbauer (FP) aufgestellten Behauptung, der Familiennachzug sei nicht gestoppt, es hätte von Jänner bis Oktober 900 Fälle gegeben – 60 Prozent aus Syrien und Afghanistan. Der Innenminister dazu: "Ich bin Niederösterreicher und dankbar, dass eine Partei in Niederösterreich für das Arbeiten zuständig ist, das ist die ÖVP, und eine andere Partei, die offensichtlich nur für das Hinhauen auf den Bund zuständig ist. Das ist meiner Meinung nach ein bisschen wenig Arbeit für einen Landeshauptfrau-Stellvertreter."
Wie er sich die Landbauer-Zahlen erklärt? "Gar nicht, sie stimmen einfach nicht. Wir hatten im November 2023 noch 1.250 Personen, die über den Familiennachzug gekommen sind. Im November des Vorjahres waren es 250 und heuer hatten wir eine einzige Person – aus besonderen humanitären Gründen. Diese Zahlen zeigen: Unsere Maßnahmen wirken und diesen harten und konsequenten Weg werden wir weitergehen. Daher die Verlängerung um weitere sechs Monate."
Zu Weihnachten beteiligt sich der Innenminister – "schon traditionell" – an der großen ORF-Hilfsaktion "Licht ins Dunkel"; den Heiligen Abend verbringt er dann mit seiner Familie in der Heimat in Niederösterreich.