Die Affäre rund um den Gagen-Plan von Harald Mahrer bei der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und dessen Rücktritt hat die Situation nicht entschärft. Für die FPÖ gehe die sogenannte "Abkassiererei" in der Kammer schlicht weiter, und zwar "ungeniert" – Mahrers Abtritt ändere nichts an der Grundproblematik. Die Kritik lautet, dass hohe Gagen- und Bonussteigerungen für Funktionäre der WKÖ – unter anderem Präsidenten und Vizepräsidenten auf Landes- und Bundesebene – weiterhin stattfinden.
"Mittendrin in einer Krise und auf Kosten der Unternehmer", wie es wörtlich heißt. Auch die NEOS und die Grünen stellen sich hinter diese Kritik: NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos forderte eine sofortige Rücknahme der Entschädigungen, und Grünen-Chefin Leonore Gewessler sprach von einem "dringenden Auftrag", die WKÖ neu auszurichten: weg vom Selbst-Bedienen, hin zur echten Interessenvertretung der heimischen Betriebe. Auch in der ÖVP rumort es, auch wenn die Volkspartei einig nach außen dringen lässt.
Während Bundeskanzler Christian Stocker Mahrer für seine Verdienste dankte, stellte er klar, dass die Kammer sich neu aufstellen müsse – "im Sinne der österreichischen Wirtschaft und des gesamten Staates". Insgesamt klingt das nach einem politischen Eklat mit anhaltender Wirkung: Der Rücktritt eines Spitzenfunktionärs gilt nicht als Lösung, sondern als Startpunkt eines umfassenderen Aufräum- und Reformbedarfs bei der Kammer-Organisation. Doch wie sehr weitet sich der Fall auch auf die Volkspartei selbst aus?
Dazu nahm am späten Donnerstagabend die ÖVP-Kennerin Heidi Glück (war Pressesprecherin und strategische Beraterin des österreichischen Bundeskanzlers ab 2000) in der "ZIB2" bei ORF-Moderatorin Marie-Claire Zimmermann Stellung. Er habe "keine Bilanz gelegt, wie man es eigentlich von ihm erwartet hätte, sondern seine Wertvorstellungen noch einmal dargelegt", so Glück zu Mahrer Abgang, der in dieser Form für sie überraschend gekommen sein dürfte. Man müsse aber ihn fragen, warum er darauf verzichtet habe zu erwähnen, was er für Unternehmen die letzten Jahre alles getan habe.
"Es war auf der einen Seite schlechte Kommunikation", so Glück zu den Gründen, warum Mahrer habe gehen müssen, "der Ansatz war schon früher". Wenn man im Sommer entscheide, die Zulagen für Funktionäre überdurchschnittlich zu erhöhen, "und glaubt, dass das irgendwo geheim bleibt, und dass man das nicht kommunizieren muss, in Zeiten, in denen Sparpakete an der Tagesordnung stehen", dann "muss man selber das, was man sagt, auch leben", so Glück. "Zu glauben, dass das nicht irgendwann bekannt wird, ist mir schleierhaft."
Es sei "eine fatale Fehleinschätzung", zu glauben, dass man in Zeiten wie diesen überdurchschnittliche Erhöhungen durchwinken könne, so die Partei-Kennerin. "Es braucht schon einige deutliche Signale, um das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen", so Glück. Und: "Ich glaube, man wird nicht drumherum kommen, diese massiven Erhöhungen zurückzunehmen, wie immer man das dann machen kann. Weil das dann ein Signal ist, dass man aus der ganzen Misere gelernt hat." Und man müsse anfangen, den "aufgeblasenen Apparat" Wirtschaftskammer zu reformieren, hieß es.
Man könnte zudem einen Teil der zwei Milliarden Rücklagen an die Unternehmen zurückgeben, schlug Glück vor. Die Affäre habe auch die ÖVP beschädigt, bestätigte die Expertin. Die ÖVP könne sich "nur auf die Position zurückziehen, dass sie schauen muss, dass das möglichst schnell alles beendet wird. Und dass aus einer Causa Mahrer oder einer Causa Wirtschaftskammer nicht eine Causa ÖVP wird." Das könnte auch der Grund für die besonders lauten Rücktrittsforderungen der letzten Stunden und Tage gewesen sein, so Glück. Die ÖVP könne sich jetzt "nicht ein neues Problem aufhalsen lassen".
Und Mahrer selbst? Er könnte wieder als Unternehmer tätig sein, schätzte Glück, "vielleicht hat er auch andere Pläne. Ich weiß es nicht. Seine Karriere letztlich auf der politischen Ebene ist mit Sicherheit beendet."