"Ich habe einen kleinen Vogel am Boden gefunden. Braucht der Hilfe?" - solche Anrufe bekommt der Österreichische Tierschutzverein zurzeit vermehrt, doch die Antwort ist meist die Gleiche: Nestlinge: Ja. Ästlinge: Nein.
Hat der Jungvogel noch kaum Gefieder und wirkt extrem fragil, handelt es sich um einen sogenannten "Nestling" der am Boden noch gar nichts zu suchen hat. Er wird schnell Opfer eines Räubers oder vielleicht sogar vom Straßenverkehr. Hier unbedingt helfen!
Man sollte ihn nur im Falle einer Verletzung vom Heimatort wegbringen, denn die Eltern kümmern sich auch weiterhin um den kleinen Piepmatz, wenn er von uns, aus einer möglichen Gefahrenzone wieder eine Etage höher, oder sogar zurück ins Netz gesetzt wurde. Er schreit Mama und Papa und die betreuen weiter – egal wo er sitzt.
Der Jungvogel, der ein bisschen tollpatschig ein paar Zentimeter über den Boden saust und immer wieder sitzen bleibt, um zu verschnaufen, braucht unsere Hilfe in der Regel aber nicht. Hier beobachtet man nämlich einen "Ästling" bei den ersten Flugversuchen. Auch wenn er manchmal ziemlich laut ruft, so ist das Teil seiner Ausbildung und sollte nicht mit Hilfeschreien verwechselt werden.
„Er ist in der Bettelflugphase und sollte in Ruhe gelassen werden. Denn Ästlinge verlassen das Nest freiwillig, bevor sie fliegen können, um genau das zu lernen“Dr. Vera MarashiVerhaltensbiologin, Österreichischer Tierschutzverein
Der Ästling lernt durch Beobachten und Nachahmen, wo und wie er in freier Wildbahn Futter finden kann. Ebenso lernt der Ästling, welche Gefahren drohen und wie er sich entsprechend verhält. Wer hier aus Mitgefühl eingreift, stresst das Jungtier unnötig, unterbricht die Versorgung durch die Eltern und bringt den Vogel in echte Gefahr.
Solltest auch du einmal ein Vogelkind finden und nicht wissen, ob er Hilfe braucht:
HIER kannst du nachfragen.
Dr. Vera Marashi appelliert an alle Tierfreunde: "Bitte versuchen Sie nicht, einen jungen Vogel auf eigene Faust zu pflegen! Das ist selbst für Experten eine Herausforderung, gelingt Laien fast nie und kostet die kleinen Vögelchen oft das Leben. Kontaktieren Sie bitte immer eine Wildtierstation, Tierärzte oder den Österreichischen Tierschutzverein. Dann können Sie gemeinsam überlegen und planen, wie dem Tier am besten geholfen werden kann."
Nicht falsch verstehen: Mitgefühl ist immer besser als Ignoranz, aber bei Wildtieren sollte man generell immer tief durchatmen und sich Zeit nehmen, um die Situation genau zu beobachten, bevor man vielleicht fälschlicherweise eingreift.
Wenn du einen scheinbar verlassenen Jungvogel findest, beobachte ihn zuerst aus sicherer Entfernung. Meist sind die Eltern in der Nähe und versorgen das Jungtier. Nur wenn keine Altvögel auftauchen oder eine klare Gefährdung besteht, ist ein behutsames und bedachtes Eingreifen nötig. Bestenfalls zunächst an eine der genannten Stellen wenden, um zu klären, ob professionelle Hilfe organisiert werden muss.