Seit 2017 arbeitet er skandalfrei mit der FPÖ zusammen. Im "Heute"-Interview unterscheidet Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer auch genau zwischen der FPÖ im Land ("Arbeiten konsequent zusammen") und jener auf Bundesebene ("Geht nur ums Wirbelschlagen").
Mit der Arbeit von Bundeskanzler Christian Stocker ist er zufrieden, dennoch lässt er mit zwei Ansagen aufhorchen: Der VP-Grande fordert eine bundesweite Schuldenbremse und plädiert für einen Stromkostenausgleich für produzierende Betriebe. Dieser würde Arbeitsplätze sichern, so Stelzer.
"Heute": Herr Landeshauptmann, Sie haben sich auf Bundesebene immer eine "Regierung der Mitte – ohne Herbert Kickl" gewünscht. Wie zufrieden sind Sie mit dem Start der Dreier-Koalition?
Thomas Stelzer: Der Start ist gelungen. Eine Dreier-Koalition ist nichts Alltägliches für Österreich. Ich bin aber sehr zufrieden, dass wir eine stabile Regierung haben. Bundeskanzler Christian Stocker ist ein ganz wichtiges Signal der Beruhigung. Es muss nicht immer eine parteipolitische Aufgeregtheit geben, die inhaltlichen Themen sind – wie man sieht – groß genug.
Begrüßen Sie den Zugang von Stocker – so ganz ohne jede Inszenierung?
Sehr, weil sich das unsere Landsleute erwarten. Die Menschen wollen, dass wir solide für sie arbeiten. Daher ist der Weg, der jetzt gegangen wird, genau der richtige.
Ist die ÖVP nun eigentlich schwarz oder türkis?
Wir feiern heuer ja 80 Jahre Volkspartei. Die ÖVP war immer getragen von unserer Grundsatzprogrammatik der christlich-sozialen Lehre. In Oberösterreich haben wir nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir auf dieser Basis stehen – Lösungen anbieten und stets bereit dazu sind, das Land zu gestalten.
Also eher schwarz?
In Oberösterreich war es immer so, ja.
Halten Sie es für demokratiepolitisch bedenklich, dass Wahlgewinner Herbert Kickl nicht die Regierung anführt?
Offensichtlich wollte er am Ende nicht. Denn eigentlich geht man in eine Wahl, um zu gewinnen. Und man will gewinnen, um dann zu regieren. In diesem Fall hat der Wahlgewinner die Verhandlungen an die Wand gefahren – aus welchem Grund auch immer.
Die Österreicher hat das Ausmaß des Budgetdefizits überrascht. Sie auch?
Von der Dynamik und Größe her, ja. Wir haben schon im Herbst unseren Unmut darüber geäußert, da wir als Land unser Budget ändern mussten. Es ist unangenehm, es ist fordernd – aber wir müssen das jetzt lösen. Die Bundesregierung hat dafür einen Weg vorgeschlagen. Wir sind uns einig, dass alle zusammenhelfen, um das wieder auf die Reihe zu bekommen – Länder, Gemeinden, Bund.
Sind die Länder bereit, einen Beitrag zu leisten?
Es ist ein Gemeinschaftsprojekt. Oberösterreich hat schon bisher beigetragen und ist das einzige Bundesland, das die Maastricht-Kriterien einhalten konnte. Gerechtigkeitshalber muss ich aber schon sagen: Ich würde es nicht begrüßen, wenn wir doppelt abbeißen.
Apropos "abbeißen": Finden Sie es gerecht, dass jetzt Pensionisten, Jugendliche und Familien vom Finanzminister für den Budget-Scherbenhaufen zur Kasse gebeten werden?
Es ist unlustig, wenn man ein Riesen-Defizit sanieren muss. Wir leben aber auch alle von den Steuereinnahmen, daher betrifft es auch alle, wenn es ums Sparen geht. Insofern ist der Ansatz, der gewählt wurde, gerecht.
„Ich schlage österreichweit eine gesetzliche Schuldenbremse vor.“Thomas StelzerLandeshauptmann (ÖVP)
Sie haben in Oberösterreich die EU-Kriterien eingehalten. Was machen Sie besser als der Bund?
Ich will nicht "Gscheitln", denn Streber sind meistens nicht beliebt und wir sehen uns auch nicht als solche. Aber wir haben vor Corona Schulden abgebaut, Null-Schulden-Budgets gemacht und auch Überschüsse erzielt. Wir sind – wie jeder Private – darauf angewiesen, mit dem auszukommen, was da ist. Daher schlage ich österreichweit eine gesetzliche Schuldenbremse vor.
Was soll das konkret bringen?
Wenn man sich verpflichtet, dass es einen Deckel gibt, ist das heilsam. Man signalisiert der Bevölkerung eine gute Absicht – und wenn es konkret wird, kann es keine Ausflüchte und Ausnahmen geben.
Apropos Signal: Halten Sie in Zeiten der Krise eine XXL-Regierung mit Politiker-Privilegien, eine Landeshauptleutekonferenz in einem Luxus-Hotel nicht für eine verheerende Optik?
Sie haben recht, man muss auf Signale und Symbolik achten. Wir haben aber auch erstmals eine Regierung bestehend aus drei Parteien, die aus meiner Sicht zu Recht in Anspruch nehmen, auch Anteile zum Mitgestalten zu haben.
Das heißt, Sie halten auch die Diskussion um das Dienstwagen-Upgrade von Neos-Staatssekretär Sepp Schellhorn für populistisch?
Dienstautos sind ein mobiler Arbeitsplatz für Repräsentanten, es gibt auch ein Sicherheitsthema. Man darf sich nicht von der Größe blenden lassen, sondern muss am Ende schauen, was sie kosten. Das muss man gescheit regeln, damit man es rechtfertigen kann.
Sind Sie für eine einheitliche Regelung, welches Fahrzeug einem Landeshauptmann, einem Minister, einem Staatssekretär zusteht?
Ich bin gegen zentralistische Regelungen, weil es regionale Unterschiede gibt. Wir haben schon jetzt Ausschreibungen über die Bundesbeschaffungsagentur. Daran halten wir uns.
„Ich bin trotz Sparzeiten dafür, einen Stromkostenausgleich zu schaffen. Das sichert Arbeitsplätze und das ist das Wichtigste.“
Sie haben also nie ein Upgrade verlangt?
Nein, in Oberösterreich sind wir sehr vernünftig unterwegs.
Österreichs Wirtschaft schrumpft – das ist in keinem anderen EU-Land der Fall. Wie kann man gegensteuern?
Wir brauchen dringend Wirtschaftswachstum, um unseren Wohlstandsstaat und unsere Lebensqualität sichern zu können. Und da gibt es schon ein paar Hausaufgaben, die wir machen müssen. Zig Länder haben einen Stromkostenausgleich für produzierende Unternehmen. Wir nicht. Das ist ein Wettbewerbsnachteil, der den Industriestandort gefährdet. Daher bin ich trotz Sparzeiten dafür, einen Stromkostenausgleich zu schaffen. Das sichert am Ende Arbeitsplätze und das ist das Wichtigste.
Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer möchte Österreich "zum Land der Fleißigen machen". Wie kann das gelingen?
Wir müssen wieder wertschätzen, wenn sich jemand anstrengt. Die zentrale Frage ist: Zahlt es sich aus, wenn ich etwas leiste, kann ich mir mit meinem Einkommen auch Eigentum schaffen? Da braucht es mehr steuerliche Anreize und weniger Regularien, die das verunmöglichen – Stichwort KIM-Verordnung. Wenn die Menschen den Eindruck bekommen, dass Arbeiten nichts bringt, machen sie es sich eben leichter.
Besorgt Sie die Teilzeit-Mentalität im Land?
Zuerst einmal nehmen zu wenige Menschen die Arbeitsplätze, die wir hätten, in Anspruch. Damit Aufstocken auf Vollzeit interessant wird, braucht es steuerliche Entlastung.
Brauchen wir eine Reform der Mindestsicherung – mit österreichweit einheitlichen Spielregeln?
Sinnvoll wäre es. Wir haben da sehr klare Verhältnisse geschaffen, etwa auch bei Menschen mit Migrationshintergrund Bemühungspflichten geschaffen.
„Wir erarbeiten in Oberösterreich gerade eine Hausordnung – ein kleines Einmaleins fürs Zusammenleben.“
Heißt?
Wir kürzen zum Beispiel Leistungen, wenn Deutschkurse nicht besucht werden. Das machen leider noch nicht alle Bundesländer so. Ich glaube aber, dass das nur fair der Bevölkerung gegenüber ist, die die Steuermittel zur Verfügung stellt – unter dem Motto: Strenge Rechnung, gute Freunde.
Haben Sie gute Erfahrungen mit der Bezahlkarte für Asylwerbern gemacht?
Ja. Sie ist vor allem das Signal: Wir helfen, damit Menschen hier leben können – aber sicherlich nicht dabei, dass das Geld irgendwohin verschickt wird.
Wie sollen wir als Gesellschaft mit Menschen umgehen, die unsere Werte nicht teilen?
Offensichtlich wandern Leute auch deswegen zu, weil sie unser Lebensmodell schätzen – aber das fordern wir dann eben auch ein. Wir erarbeiten in Oberösterreich gerade eine Hausordnung – ein kleines Einmaleins fürs Zusammenleben. Bei extremen Fällen muss der Rechtsstaat klare Grenzen setzen.
Was sind Kernpunkte Ihrer Hausordnung?
Dass hier alle gleiche Rechte haben – eh traurig, dass man das sagen muss. Und vor allem: Dass wir eine glasklare Trennung zwischen Staat und Religion verlangen.
Herr Landeshauptmann, wo haben Sie denn den Songcontest-Sieg von JJ verfolgt?
Am Handy, ich war unterwegs.
Wie finden Sie seinen Musikstil?
Bemerkenswert. JJ hat mit einem ganz anderen Zugang und Riesenqualität ganz Europa überzeugt. Da können wir uns schon sehr freuen darüber.
Und Oberösterreich steht als Austragungsort für den Songcontest 2026 bereit?
Linz und Wels haben gemeinsam gesagt, dass sie das gerne machen würden. Wirtschaftlich und touristisch wäre das erfreulich für Oberösterreich.
Erfreulich ist für Sie – nehme ich an – auch, dass es bei KTM in Oberösterreich nach einer Finanzspritze weitergeht?
Ich habe grundsätzlich Interesse daran, dass jedes Unternehmen in Oberösterreich gut performen kann. KTM ist ein Aushängeschild mit Zigtausenden Arbeitsplätzen und Zulieferern – also nicht nur eine bekannte, beliebte Marke. Insofern bin ich froh, dass das jetzt in Richtung Lösung der finanziellen Probleme geht.
Im Parlament wurde am Mittwoch der Weg für einen FPÖ-U-Ausschuss zum sogenannten "tiefen Staat" der ÖVP eingesetzt. Was erwarten Sie sich davon?
Ich glaube, der Zugang der FPÖ auf Bundesebene ist sehr klar – da geht es um Wirbelschlagen und ums Skandalisieren. Es ist das Recht der FPÖ einen Untersuchungsausschuss zu machen, er soll deshalb abgearbeitet werden. Ich gehe davon aus, dass Entscheidungsträger im Staat immer korrekt handeln.
Sie unterscheiden zwischen Bundes- und Landesebene: Wie läuft die Regierung mit der FPÖ in Oberösterreich?
So, wie wir es vereinbart haben: Wir arbeiten konsequent für das Land zusammen. Wir sind zwar unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Ideologien, haben aber eine sehr zielgerichtete und faire Vorgehensweise bei Sachentscheidungen.
Oberösterreich wählt 2027 wieder. Treten Sie nochmals an?
Ja, sicher. Das ist der Plan.
Herr Landeshauptmann, danke für das Gespräch.