Im Nationalrat flogen am Mittwochnachmittag die Fetzen. Die FPÖ hatte eine Sondersitzung einberufen, um ihr Verlangen auf Einsetzen eines Untersuchungsausschusses einzubringen. Außerdem stellten die Freiheitlichen eine Dringliche Anfrage an Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) mit dem Titel: "ÖVP-Machtmissbrauch: Staat oder Partei – was steht für Sie an erster Stelle, Herr Bundeskanzler?"
Stocker selbst war freilich wegen einer "lange geplanten Abwesenheit" nicht vor Ort, die Beantwortung der "Dringlichen" übernahm in Vertretung VP-Staatssekretär Alexander Pröll.
In dem U-Ausschuss soll es einerseits um die Ermittlungen zum Tod des einstigen Justizsektionschefs Christian Pilnacek gehen, andererseits um die Coronavirus-Maßnahmen der Regierung.
Von Beginn an ging es heiß her im Hohen Haus. FP-General Christian Hafenecker nannte den U-Ausschuss "einen Akt der politischen Notwehr gegen das politische System der ÖVP", sprach von einem "politisch korrupten schwarzen Netzwerk" der ÖVP. Als Beispiele führte er die Emittlungen nach dem Tod von Ex-Justizsektionschef Christian Pilnacek, die ÖVP-Kontrolle über das Innenministerium und die EU-Jobs für Karl Nehammer und Magnus Brunner an.
„Dieser Untersuchungsausschuss ist ein Akt der Notwehr gegen das politische System der ÖVP.“Christian HafeneckerFPÖ-Generalsekretär
Der freiheitliche Generalsekretär folgert daraus: "Wer hier keinen tiefen Staat erkennt, will ihn einfach nicht erkennen." Die ÖVP sei keine Partei mehr: "Sie ist ein System geworden."
Kanzler Stocker habe sich durch seine Abwesenheit bei der an ihn gerichteten Dringlichen Anfrage übrigens als erste Auskunftsperson für den U-Ausschuss empfohlen, wetterte Hafenecker: "Wer nicht antworten will, muss dies unter Wahrheitspflicht tun."
In seiner Beantwortung der "Dringlichen" an Stelle Stockers attackierte Pröll die FPÖ dafür, mit Anfrageserien ein wichtiges Kontrollinstrument der Abgeordneten zu missbrauchen und die Verwaltung zu blockieren – "all das auf Kosten der Steuerzahler". Mit rund 2,5 Mio. Euro und geschätzten 25.000 Arbeitsstunden bezifferte Pröll den Aufwand.
Selbst zeigte sich der Staatssekretär nicht allzu auskunftsfreudig. Bei der Beantwortung der meisten Fragen verwies er auf schon früher veröffentlichte Angaben zu den entsprechenden Themen.
Es folgte eine heftige Debatte. Die Vielzahl der Themen, welche die FPÖ im U-Ausschuss durchleuchten will – von den Pilnacek-Ermittlungen bis zur Corona-Zeit –, löste Kritik der anderen Parteien aus. ÖVP-General Nico Marchetti sprach von einem "Wirrwarr-Ausschuss": "Hauptsache, die Verschwörungstheorie passt." Auch SPÖ-Abgeordneter Maximilian Köllner ortete einen "Kraut-und-Rüben-Antrag", dessen Zulässigkeit noch genau zu prüfen sei.
Die Grüne Sigrid Maurer befand die Causa Pilnacek tatsächlich aufklärungswürdig: "Ja, dieses Ermittlungschaos gehört systematisch aufgearbeitet." Dennoch kritisierte sie die "wild und populistisch zusammengewürfelten Untersuchungsgegenstände". Auch Hafeneckers Verwendung des Begriffs "tiefer Staat" sei historisch belastet, so Maurer.
Neos-General Douglas Hoyos will sich am wichtigen Instrument des U-Ausschusses beteiligen – vorausgesetzt, aus der Prüfung ergebe sich ein "roter Faden". Derzeit sei allerdings nur ein "blauer Faden" erkennbar.
FPÖ-Chef Herbert Kickl donnerte der ÖVP entgegen: "In einem Rechtsstaat muss sich die Regierung gefallen lassen, von der Opposition kontrolliert zu werden." Und der Oberblaue zitierte den früheren US-Präsidenten Abraham Lincoln (amtierte von 1861 bis 1865): "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, gib ihm Macht".
Geprüft wird jetzt, ob das Verlangen für den U-Ausschuss verfassungskonform ist. Dafür muss der Untersuchungsgegenstand klar bezeichnet sowie zeitlich und sachlich abgegrenzt sein.