Die Erfolgs-Quelle in Hütteldorf ist längst versiegt. In den letzten acht Spielen kassierte Rapid sechs Pleiten, holte nur zwei Remis. Auch der Schnellschuss von Sportchef Markus Katzer, mit der Entlassung von Ex-Coach Peter Stöger die Trendwende herbeizuführen, half nicht – unter Interimstrainer Stefan Kulovits setzte es drei Pleiten in Folge (darunter das 1:2 daheim gegen das damalige Schlusslicht GAK und die historisch blamable 1:2-Heimpleite gegen Ried), das magere 1:1 beim Tabellenletzten Blau-Weiß Linz war sein erster Punkt. Viel zu wenig für die Ansprüche des Rekordmeisters. Apropos: Der letzte Meistertitel ist 17 Jahre her, der letzte Cupsieg mit 30 Jahren noch länger.
Vor wenigen Tagen rechnete Klub-Legende Kurt Garger (vier Mal Meister, fünf Mal Cupsieger) im "Heute"-Interview mit seinem Herzensverein ab.
"Es waren zuletzt unglückliche Präsidentschaften, der Sport stand nicht mehr im Vordergrund. Rekorde bei Umsätzen und Mitgliedern sind schön und wichtig, aber das Allerwichtigste ist sportlicher Erfolg. Rapid ist ein Fußballverein, kein PR-Unternehmen", polterte er.
Was er meint, lässt ein aktueller Blick in die Verkaufsregale der heimischen Supermärkte erahnen. Dort findet sich das "Rapid-Soda". Ein Erfrischungsgetränk mit Holunderblütengeschmack und österreichischem Quellwasser. Der Slogan dazu: "Spritzig wie unser Spiel."
Geschäftsführer Steffen Hofmann sagte dazu bei der Markt-Einführung im Oktober: "Egal ob Alt oder Jung: Das grüne Rapid Soda ist bereits seit mehreren Jahren ein beliebtes Getränk an den Kiosken im Allianz Stadion. Dass wir es nun geschafft haben, es auch in die Regale zu bringen, ist ein schöner Erfolg unserer gemeinsamen Arbeit." Lieber wären den Fans als Folge der "gemeinsamen Arbeit" sportliche Erfolge. Schwamm drüber.
„Bei Rapid gibt es mittlerweile alles, nur keine Titel mehr“Klaus Pfeiffer"Heute"-Sportchef
Das Rapid-Soda ist nur ein Beispiel aus der Hütteldorfer PR-Maschinerie. Mit dem "Rapid-InvesTOR" wurde einst ein Crowdfunding-Projekt ins Leben gerufen, die ehemalige Kooperation mit einem Automobilhersteller wurde als "vierter Stern" für Rapid verkauft (drei Sterne hat sich der Klub für sportliche Erfolge verdient – lange ist es her), es gibt den Rapid-Handytarif, bei Business-Abenden wird genetzwerkt, es kann Blut gespendet werden, im eigenen Andachtsraum wird getauft und geheiratet – angestoßen wird mit dem Rapid-Wein, auch auf Prostata-Vorsorgeuntersuchungen weist der Klub hin. Kurz: Bei Rapid gibt es mittlerweile alles, nur keine Titel mehr.
Was der Fußballverein neben unzähligen Nebengeschäften inzwischen aber am allermeisten meisterlich beherrscht, ist das Verkaufen von Misserfolg als Erfolg.
In den letzten Jahren schlitterte Rapid in historische Pleiten. Einige Beispiele: 2:7 daheim gegen Salzburg, 1:6 bei der Austria, 0:10 in zwei Spielen gegen Villarreal, Aus im Europacup gegen Fußballzwerg Vaduz, Verpassen der Meistergruppe. Gefeiert wurden Rekorde bei Mitgliedern und Umsätzen. Und der 3:0-Sieg gegen die Austria im letzten Jahr – es war der erste Erfolg gegen den Erzrivalen seit zehn (!) Jahren im eigenen Stadion. "Ein historischer Tag", jubelte Klubboss Alexander Wrabetz. Wirklich?
Was für eine Leistung für den Verein mit der größten Fan-Unterstützung und einem Top-3-Budget in der Liga. Man stelle sich vor, Eishockey-Rekordmeister KAC würde daheim gegen Villach zehn Jahre keine Partie gewinnen.
"Rapid ist immer dann am stärksten, wenn wir vor besonderen Herausforderungen stehen", auch das sagte Wrabetz vor einem Jahr.
Offensichtlich sind die Herausforderungen noch nicht groß genug. Dabei wäre es höchst an der Zeit, Stärke zu zeigen. Rapid flog mit dem teuersten Kader aller Zeiten gerade aus den Top 6 der Meisterschaft, ist mit Schlusslicht BW Linz das formschwächste Team der Liga. Die bisher fünf Spiele in der nicht gerade hochkarätig besetzten Conference League wurden alle verloren, Rapid ist als Letzter die Lachnummer Europas. Nach der jüngsten 0:1-Heimpleite gegen Zypern-Underdog Nikosia sagte Coach Stefan Kulovits: "Die Mannschaft lebt." Die erfolglosen Kicker sprechen sich für den erfolgslosen Trainer aus. "Er hat einiges bewegt. Ich kann mir vorstellen, dass er bleibt", erklärt Routinier Schaub.
Wieder so ein Versuch, sportliches Versagen als Erfolg zu verkaufen.
Legende Garger hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. "Ich glaube an den Erfolg, nur der Zugang zum Sport muss ein anderer werden."
Bis dahin ist in Hütteldorf zumindest das Wasser spritzig.