Bereits 2022 hat Greenpeace in sieben von 47 getesteten Shein-Produkten gefährliche Chemikalien oberhalb der gesetzlich erlaubten EU-Grenzwerte (REACH) nachgewiesen. Geändert hat sich seither offenbar nichts. In einem neuerlichen Check wurden nun in 18 von 56 geprüften, in acht Ländern gekauften Kleidungsstücken von Shein erneut teils massive Grenzwertüberschreitungen festgestellt. Davon auch betroffen – Kindermode.
In sieben Jacken wurden demnach PFAS gefunden, und zwar in Mengen, die bis zum 3.269-Fachen über den gesetzlichen Grenzwerten lagen. Die extrem langlebige "Ewigkeitschemikalie" gilt als krebserregend, schwächt das Immunsystem und kann Leber und Nieren angreifen. 14 Produkte überschritten die Grenzwerte bei Phthalaten, das sind Weichmacher, die laut Greenpeace Wachstum, Fruchtbarkeit und die gesunde Entwicklung beeinträchtigen können. In zwei Produkten wurden Schwermetalle, in je einem Produkt APEO (Umweltgifte, schädigen Wasserlebewesen) und Formaldehyd (kann DNA-Schäden verursachen und zu Krebs sowie Erbkrankheiten) jenseits des in der EU Erlaubten gefunden.
Greenpeace-Konsumexpertin Madeleine Drescher kritisiert, dass Konsumentinnen und Konsumenten sich auf die Einhaltung europäischer Standards verlassen würden, faktisch aber "billige Mode, sondern oft auch verbotene Gifte direkt ins Wohnzimmer geliefert bekommen". Es sei für sie "völlig unverständlich, dass Plattformen wie Shein EU-Gesetze, die unsere Gesundheit schützen sollen, so einfach umgehen können". Ursache sei ein rechtliches Schlupfloch: Da die Ware direkt aus Asien versandt wird, gelten Kundinnen und Kunden als Importierende – und tragen damit die Verantwortung für mögliche Gesetzesverstöße.
Auch Umweltmediziner Hans-Peter Hutter, Sprecher der ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt, weist auf die Risiken hin. "Gar keine Frage: Man hat nicht umsonst PFAS aus gesundheitlichen Gründen in Europa reglementiert", betont er. Die Stoffe könnten das Immunsystem schwächen, den Stoffwechsel und das Hormonsystem stören und teils ein krebserregendes Potenzial besitzen. Jede zusätzliche Quelle sei aus ärztlicher Sicht zu vermeiden.
Die Ergebnisse sorgen auch beim Handelsverband für Empörung. Geschäftsführer Rainer Will warnt vor einer "massiven Belastung der Shein-Produkte mit verbotenen, teils krebserregenden Chemikalien". Man rede nicht von Einzelfällen, sondern von "einer regelrechten Giftlawine". Wer auf der Billigplattform bestelle, riskiere seine Gesundheit. Will spricht von einem strukturellen Problem: Fernost-Plattformen könnten jährlich rund 100 Millionen Pakete nach Österreich liefern, ohne Verantwortung für Produktsicherheit zu tragen, während heimische Händler streng kontrolliert würden.
"Es ist völlig unbegreiflich, warum Shein in der EU nicht längst gesperrt wurde", so Will weiter. Würde ein österreichischer Händler derartige Produkte verkaufen, wäre der Betrieb sofort geschlossen. Der Handelsverband fordert daher eine rechtliche Gleichstellung und eine Plattformhaftung, insbesondere für die korrekte Produktdeklaration. Bei wiederholten Verstößen müsse es temporäre Sperren geben. Solange die EU-Kommission nicht handle, müsse Österreich nationale Maßnahmen setzen – "denn es ist Gefahr in Verzug. Wir wollen keine Giftpakete unter dem Weihnachtsbaum."
Gegenüber "Heute" kündigte Shein an, "die betreffenden Artikel weltweit von unserem Marktplatz" zu entfernen. Parallel werde der Sachverhalt geprüft. Tatsächlich seien alle Anbieter verpflichtet, "den Verhaltenskodex sowie die Sicherheitsstandards von Shein einzuhalten und sich an alle geltenden gesetzlichen Regeln zu halten", so ein Sprecher. Selbst kritisiert Shein, "dass einige der von Greenpeace hervorgehobenen Produkte Stand heute weiterhin auf anderen großen E-Commerce-Plattformen erhältlich sind".