Mehr als 74.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Niederösterreich haben im ersten Halbjahr 2025 die Hilfe der Arbeiterkammer NÖ in Anspruch genommen. Bei den allermeisten Personen waren Probleme am Arbeitsplatz der Grund dafür. Erheblichen Bedarf an Beratungen hatten Teilzeitbeschäftigte.
"Für die Betroffenen haben wir 68,8 Millionen Euro erreicht" – diese Bilanz zieht AK Niederösterreich-Präsident Markus Wieser rückblickend auf das erste Beratungs-Halbjahr. Der Großteil dieser Summe betraf "ausstehende Löhne und Gehälter, nicht bezahlte Urlaubs- oder Kündigungsentschädigungen und Abfertigungen, die den Betroffenen zu Unrecht vorenthalten worden waren", heißt es von der AK in einer aktuellen Aussendung.
Arbeitsrechtsexpertin Vera Kmenta-Spalofsky sagt: "Gerade im Handel kommt es regelmäßig vor, dass Teilzeitbeschäftigte deutlich mehr arbeiten, als ihre vertragliche Arbeitszeit ausmacht." Anders als gegenwärtig politisch dargestellt, geht das zulasten der Betroffenen.
Kmenta-Spalofsky argumentiert das mit einer Beispielrechnung: "Arbeitet ein Vollzeitbeschäftigter im Handel regelmäßig fünf Stunden mehr als vereinbart, bekommt er nach sieben Dienstjahren in der Gruppe C Stufe 3 exakt 233,63 Euro netto zusätzlich im Monat ausbezahlt. Bei einer Teilzeitbeschäftigten mit gleicher Einstufung und Berufserfahrung sind es bei regelmäßig fünf Stunden zusätzlicher Arbeit pro Woche nur 200,95 Euro."
"Das bekommt die Teilzeitbeschäftigte aber auch nur, wenn sie ihre Mehrarbeit nicht innerhalb von drei Monaten 1:1 abbaut. In dem Fall würde sie nicht einmal Mehrarbeitszuschläge bekommen", schildert Kmenta-Spalofsky.
Hier hackt AK-Präsident Wieser ein: "Teilzeitbeschäftigte haben von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, keinen Anspruch auf Überstundenzuschläge", sagt er. Bei Teilzeitbeschäftigten gäbe es zwar generell einen 25-prozentigen Zuschlag für Mehrarbeitsstunden, dieser werde aber nur dann fällig, wenn die Mehrarbeitsstunden ausbezahlt werden.
Werden die Betroffenen stattdessen von den Arbeitgebern auf Zeitausgleich geschickt, entfällt der Zuschlag. Teilzeitarbeit sei daher unter diesem Aspekt für Arbeitgeber äußerst vorteilhaft und ein Mitgrund, warum Vollzeitstellen oft gar nicht erst angeboten werden.
Die Beratungen der AK Niederösterreich würden aber noch einen weiteren Aspekt aufzeigen: "Wenn in einem Unternehmen eine Vollzeitstelle frei wird, ist das Unternehmen laut Arbeitszeitgesetz verpflichtet, diese Stelle zunächst den Teilzeitbeschäftigten im Betrieb anzubieten. Bei unseren Beratungen sehen wir, dass das vielfach nicht eingehalten wird. So wird es Teilzeitbeschäftigten zusätzlich erschwert, Vollzeit zu arbeiten, wenn sie das wollen", erklärt Wieser.
Von den 74.000 Fällen, in denen sich Betroffene zwischen 1. Jänner und 30. Juni 2025 an die AK NÖ wandten, konnte bereits die Beratung das Problem lösen. Dennoch musste die AK in fast 6.400 Fällen zugunsten der Betroffenen intervenieren oder vor Gericht ziehen. Nachdem die AK im vergangenen Jahr die rekordverdächtige Summe von 100 Millionen Euro gesichert hatte, könnte diese Summe heuer noch übertroffen werden – immerhin, nach dem ersten Halbjahr steht man in Niederösterreich schon bei zwei Drittel davon.
"Ohne unsere Beratung und Rechtsvertretung wären die meisten Betroffenen nicht zu ihrem Geld gekommen", sagt AK-Präsident Wieser.