Vermutlich gibt es kein anderes Straßenbauprojekt, über das in den letzten Jahren so viel diskutiert wurde, wie die geplante Traisental-Schnellstraße S34. Jetzt lässt der amtierende Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) das Vorhaben wieder überprüfen – und sorgt damit für aufgeheizte Stimmung.
Dabei stammt die ursprünglich Idee zur S34 bereits aus dem vorigen Jahrtausend. Mitte der 1970er-Jahre gab es erste Entwürfe. Die aktuelle Planung hingegen liegt seit fast 20 Jahren vor: Die Pläne sehen seit 2007 eine Verbindung von St. Pölten über den Knoten Schwadorf zur Westautobahn A1 bis nach Wilhelmsburg vor. Das obere Traisental soll so besser an die Landeshauptstadt St. Pölten angebunden werden.
Doch Umweltinitiativen laufen seit Jahren Sturm gegen das umstrittene Projekt. Und 2021 erreichten sie einen Etappensieg: Die Vorgängerin von Hanke, damals die grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler, stoppte das Projekt. Nun lässt Nachfolger Hanke die S34 plötzlich wieder prüfen – sehr zum Ärger der Kritiker.
In Nadelbach haben sie ein sogenanntes "Protest-Podest" errichtet. Aktivisten demonstrieren dort seit Wochen gegen den Bau, zuletzt auch mit prominenter Unterstützung: Gewessler selbst stattete der Örtlichkeit am zurückliegenden Wochenende einen Besuch ab.
Parallel dazu wird im Netz heftig diskutiert, wie die NÖN schreiben. Die Kommentarspalten der Zeitung sind voll. Auch auf Social Media gehen die Wogen hoch und Meinungen weit auseinander: "Da haben zehn Bauern ihren Traktor hingestellt und ein paar Freunde eingeladen. Dagegen stehen 60.000 St. Pöltnerinnen und St. Pöltner, die sich Entlastung wünschen", schreibt ein User.
Ein anderer meint: "40 Aktivisten vor Ort – wo waren die tausenden Pendler, die jeden Tag auf der B20 stehen?" Wieder eine andere Userin kontert: "Wie lange steht man denn? Fünf bis zehn Minuten?" Andere zeigen sich genervt, dass der Bau seit Jahrzehnten blockiert wird. "Gut, dass es in den 1970ern keine Grünen gab, sonst würde es noch immer keine S33 geben", schreibt ein Kommentator.
Andere User verweisen auf umweltfreundlichere Alternativen: "Die 200 Millionen kann man besser einsetzen – etwa für besseren öffentlichen Verkehr." Und tatsächlich kündigte die ÖBB in der Modernisierung und Elektrifizierung der Traisentalbahn Ende August den Beginn der nächsten Phase an: So starteten im September umfangreiche Bauarbeiten zwischen Traisen und Freiland, deren Abschluss bis Ende 2027 vorgesehen ist.
Diese Sicht teilt auch Romana Drexler, die Sprecherin der Bürgerinitiative "Stopp S34": "Die Menschen in der Region kämpfen schon seit zwanzig Jahren gegen diese neun Kilometer Straße, deren Kosten von der Asfinag bereits 2008 mit 208 Millionen Euro veranschlagt wurden." Vermutlich seien es jetzt über 350 Millionen Euro.
"Der Flächenverbrauch ist irre", sagt Drexler: "Alleine der Anschlussknoten soll größer als die Innenstadt von St. Pölten werden. Eine Schneise aus Asphalt soll durch die besten Böden in der Region gezogen werden. Über 40 Landwirte sind davon betroffen. Für junge Landwirte ist so ein Flächenverlust existenzbedrohend. Die vierspurige Schnellstraße soll außerdem durch ein Trinkwasserschutzgebiet gehen. Dreihundert Million Euro für wenige Kilometer Asphalt, statt öffentlichen Nachverkehr auszubauen – das ist doch Wahnsinn."
Vermutlich könnte wirklich mehr dafür getan werden, um den öffentlichen Nahverkehr in der Region des Traisentals auszubauen. Dazu müsste aber die Politik gezielt in diese Richtung arbeiten. Hanke, der kürzlich erst angekündigt hat, mit Volltunnelvariante die Lobau untergraben zu wollen – ein Naturschutzgebiet am Rande Wiens – dürfte andere Agenden verfolgen. Auch der Lobautunnel war einst von Gewessler gestoppt worden.
So viel steht jedenfalls fest: Die S34 wird ein Streitthema bleiben. Während die einen von Entlastung sprechen, gilt sie anderen als Symbol einer völlig veralteten Verkehrspolitik.