Erst Pommes, dann Eis und zum Abschluss ein Sprung ins kühle Nass – für viele der perfekte Sommertag. Doch nach dem Zucker-High folgt oft das schlechte Gewissen. Denn: Schon als Kind wurden einem Regeln wie "Mit vollem Magen nicht ins Wasser" oder "Nach dem Essen mindestens zwei Stunden warten" eingetrichtert. Was ist dran?
"Der Ursprung der Idee ist nicht aufspürbar", schrieb zum Beispiel 1961 Arthur Steinhaus, Fitnessberater der US-Navy während des Zweiten Weltkrieges, in einem Beitrag für das "Journal of Health". Wissenschaftliche Belege gebe es nicht – er habe nur mal davon gelesen, dass sich amerikanische Ureinwohner nach einer Mahlzeit die Bäuche massierten, um beim Schwimmen nicht zu ertrinken.
1968 folgte das erste Experiment: Das Forscherteam Robert Singer und Robert Neeves setzte zwölf Leistungsschwimmer vor eine große Mahlzeit und schickte sie danach ins Becken. Mal nach 30 Minuten, mal nach einer Stunde, mal nach eineinhalb Stunden. Einmal erst nach drei Stunden.
Das Ergebnis? Egal, wann die Sportler gegessen hatten – ihre Schwimmleistung blieb gleich. Jedoch berichteten vier von zwölf Probanden von leichter Übelkeit, wenn sie nur eine halbe Stunde gewartet hatten.
Dr. Johannes Scherr, Chefarzt und Leiter des Universitären Zentrums für Prävention und Sportmedizin an der Zürcher Universitätsklinik Balgrist (Schweiz), sagt: An der Warnung ist etwas dran – es kommt aber sehr stark auf die Mahlzeit und die Intensität der körperlichen Aktivität an.
"Nach einer Mahlzeit wird das Blut vermehrt in den Verdauungstrakt umgeleitet, wodurch die Muskeln weniger durchblutet werden", erklärt Scherr. "Diese Umverteilung dient dazu, die Verdauung und die Nährstoffaufnahme möglichst effizient zu unterstützen." Komme es nun auch noch zu einer intensiven körperlichen Aktivität, gebe es sowohl einen erhöhten Blutbedarf im Verdauungstrakt als auch in den arbeitenden Muskeln sowie dem Herz-Lungen-System. "Dieses Missmatch führt unmittelbar zu einer relativen Minderdurchblutung des Verdauungstrakts."
Laut Experten konnte in Studien aber auch nachgewiesen werden, dass leichte bis moderate körperliche Aktivität nach dem Essen nicht nur sicher, sondern sogar vorteilhaft für die Blutzuckerkontrolle ist. "Blutzuckerspitzen können dadurch vermieden werden."
Ist Bewegung nach dem Essen – entgegen dem Mythos – also gut für dich? Die klassische Regel, dass man nach dem Essen nicht schwimmen soll, kann laut dem Chefarzt wissenschaftlich nicht belegt werden. "Allerdings ist die individuelle Verträglichkeit entscheidend", betont er. "Bei einer großen fetthaltigen Mahlzeit wie Pommes sind Verdauungsbeschwerden möglich, was im Wasser unangenehm und durch eine inadäquate Reaktion potenziell gefährlich sein kann."
"Bei Neigung zu Reflux oder Übelkeit ist Warten oder nur gering-intensives Schwimmen sinnvoll", sagt Scherr. "Sind intensive Belastungen im Wasser geplant – wie Leistungssport oder Intervalltraining –, vertragen viele das besser im nüchternen Zustand oder mehrere Stunden nach einer leichten Mahlzeit." Aus diesem Grund empfiehlt Scherr, nach schweren Mahlzeiten je nach Intensität der Aktivität sowie persönlichen Unsicherheiten zwei bis vier Stunden mit der Schwimmeinheit zu warten.
Es lohnt sich also, auf den Körper zu hören. Gerade Kinder, Nichtschwimmer oder ungeübte Schwimmer kann ein Unwohlsein im Wasser verunsichern, was zu Panik und damit einer Gefahrensituation führen kann.
Am besten ist der Magen beim Schwimmen nicht ganz voll, aber auch nicht ganz leer. Denn auch Letzteres kann unter Umständen Gefahr bergen. Wer unterzuckert ist, kann schneller frieren, sich schwach fühlen oder unter Schwindelgefühl leiden. Ein erfrischendes Eis vor dem nächsten Herumplanschen ist darum wärmstens zu empfehlen.