Nonstop Leiden seit drei Jahren. "Mit meiner Tochter kann ich nur kurz spielen, dann bin ich zu erschöpft, jemand muss sie mir abnehmen", das sagt Michael G. (45) zu "Heute".
Für den ehemaligen leitenden Angestellten eines bekannten IT-Unternehmens hat sich mit seiner ersten Covid-Infektion im Spätsommer 2022 alles geändert. Der damals noch begeisterte Motorradfahrer, Taucher und Reise-Fan verbringt seitdem die meiste Zeit zu Hause.
Das Drama begann mit einem milden Corona-Verlauf, "aber seitdem bin ich nicht mehr in die Gänge gekommen", sagt der Korneuburger (NÖ) im Interview. "Es ist so, als wäre die Schwerkraft plötzlich drei Mal so stark wie früher", Michael G. ist permanent erschöpft, "ich schlafe 14 Stunden und bin danach noch müder als vorher."
Er lässt sich komplett durchchecken, besucht eine Neurologin. Ihr Rat: "Halten sie keinen Kontakt zur Firma, die Arbeit können sie jetzt vergessen, es wird wohl länger dauern." Die Diagnose: Long Covid und ME/CFS (schlimme chronische Multisystem-Erkrankung, Betroffene sind dauermüde).
Etwa 80.000 Menschen in Österreich haben ME/CFS, sie sind alle wie Michael G. stark eingeschränkt in ihrer Leistungsfähigkeit, sind konstant in einem Zustand der Erschöpfung. Die Hälfte der Erkrankten liegt fast ohne Unterbrechung im Bett, zu mehr sind sie nicht fähig.
Michael G. lebt seit drei Jahren praktisch im Lockdown. Besonders schlimm: Er würde gerne mehr mit seiner Partnerin und seiner Tochter machen, "aber ich schaffe nur etwa fünf Seiten einer Gutenacht-Geschichte, dann setzt bei mir 'Brainfog' (Anm.: Konzentration wird unmöglich) ein und ich bekommen starke Kopfschmerzen."
"Partizipieren und eine aktive Rolle in der Gesellschaft einnehmen, das kann ich vergessen." Drei Mal pro Woche holt er seine Tochter nach der Schule vom Bus ab, dann machen sie Hausübungen gemeinsam, "danach bin ich fertig."
„Eine Stunde bin ich anwesend, dann muss ich rauf ins Schlafzimmer“Michael G.über sein Weihnachtsfest
Jetzt im Advent beginnt für viele die Zeit der vielen Feiern. Firmenpartys, Familienfest zu Weihnachten, Silvester als Party-Highlight. Michael G. muss sich seine gesellschaftlichen Kontakte ganz genau einplanen, ein richtiges Familienfest kommt für ihn nicht in Frage, "ich habe Angst vor einem Crash zu Weihnachten", sagt er zu "Heute".
"Crash" kann wochenlang andauern
Post-Exertionelle Malaise (PEM), so heißt in der Fachsprache der "Crash". Einfach erklärt: Auf eine kleine körperliche oder geistige Anstrengung folgen schlimme Symptome. Dieser Zustand kann einige Wochen lang dauern.
Am 24. Dezember kommt seine Mutter – aber nur für zwei Stunden: "Die erste Stunde bin ich anwesend, dann muss ich rauf in mein Schlafzimmer." Am Tag danach kommen die Eltern seiner Partnerin zu Besuch, "da komme ich auch nur zu den Mahlzeiten hinunter und verbringe die restliche Zeit im Schlafzimmer – das ist mein Weihnachten."
Zu Silvester ist es ähnlich ruhig, vor einem Jahr war die Familie bei Freunden eingeladen, "doch nach dem Essen musste ich heimfahren." Immerhin: Im Vorjahr konnte er sich bis Mitternacht wach halten.
Seine Tochter ist jetzt sieben Jahre alt, vor einigen Tagen sagte sie zu ihrem leidenden Vater: "Ich wäre so gerne eine Fee, dann könnte ich dir die Kopfschmerzen wegzaubern." Doch die bittere Wahrheit ist, der Ausgang seiner Krankheit ist völlig ungewiss.