Die Wien-Wahl ist geschlagen, bis in die Nacht werden die letzten Stimmen ausgezählt. Die erste Hochrechnung um 18.45 Uhr schlug ein wie eine Bombe.
Sie pulverisierte die nach der Trendprognose um 17 Uhr herrschende schlechte Stimmung innerhalb der SPÖ völlig.
Bürgermeister Michael Ludwig standen auf einmal wieder alle Koalitionstüren offen – selbst eine Neuauflage des "Punschkrapferl"-Paktes mit den NEOS geht sich demnach bequem aus. Entsprechend war der Jubel in den roten Reihen.
"Wir haben harte Jahre bewältigt – mit der Pandemie, den stark steigenden Energiepreisen und der hohen Inflation. Die Wienerinnen und Wiener haben anerkannt, dass wir versucht haben, sie gut durch die Krisen zu bringen – dass wir viele erreicht haben, aber noch viel vorhaben. Wir sind für kommende Herausforderungen gewappnet", sagte Ludwig dem Stadtfernsehen W24. "Bis zum Sommer" solle eine neue Koalition stehen.
Spätabend legte der alte und wohl neue Bürgermeister in der ZIB2 mit Armin Wolf nach. Auch im ORF begründet Ludwig das zweitschlechteste Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg mit "schwierigen Zeiten für Regierende".
Warum die NEOS dennoch dazugewinnen konnten? Man habe "auf Augenhöhe" zusammengearbeitet und "es freut mich, dass der Koalitionspartner dadurch nicht verloren, sondern dazugewonnen hat".
Kommt "Punschkrapferl 2"? Er wolle nichts ausschließen, sagt Ludwig zur Ankündigung von Sondierungsgesprächen mit allen drei möglichen Parteien: NEOS, ÖVP und Grüne. Die FPÖ schließt der SPÖ-Grande kategorisch aus.
Dass Karl Mahrer demnächst vor Gericht stehen werde, sei kein Ausschlusskriterium. Die roten Gremien werde nun beraten, mit welcher Partei inhaltlich die größten Überschneidungen vorhanden sind und es personell auch ein Vertrauensverhältnis gebe.
Grüne schon wegen Lobau-Tunnel aus dem Rennen? "Wir haben derzeit auf Wiener Ebene keine Entscheidung zu treffen", betont Ludwig die Festlegung des Lobautunnels im Bundesgesetz. Er hält weiter an der Straßenerweiterungen durch das Naturschutzgebiet fest – die Grünen sind vehement dagegen.
Warum sind die Freiheitlichen als Partner ausgeschlossen? "Die SPÖ in Wien ist nicht bereit, mit einer FPÖ zu koalieren, deren Mandatare zum Teil verurteilt sind wegen Wiederbetätigung und die sich nicht klar abgrenzt gegenüber rechtsextremen Organisationen wie den Identitären – das kommt für uns auch aus vielen anderen Gründen nicht infrage." Deshalb gelte seine Koalitionsabsage von vor der Wahl auch nach der Wahl: "Das haben wir den Wählerinnen und Wählern versprochen."
48 Prozent der Erstklässler können nicht genug Deutsch, um dem Unterricht zu folgen. Wie löst Ludwig das Schulchaos? In den letzten Jahren habe Wien in Sachen Migration und Zuwanderung "sehr viel zu schultern" gehabt. Das habe auch Auswirkungen auf Kindergärten und Schulen gehabt. "Ich sehe primär immer auch die Kinder und es ist eine Herausforderung mit diesen auch umzugehen", sagt Ludwig. Alleine aus der Ukraine seien im letzten Schuljahr 4500 Kinder integriert worden, zusätzlich dazu die Familienzusammenführungen aus dem Nahen Osten. Das seien "sehr viele Kinder", die nicht nur schlecht bis gar nicht Deutsch können sondern es gebe auch "soziale Themenstellungen und Herausforderungen". Den temporären Stopp des Familiennachzugs durch die Bundesregierung begrüße er sehr.
Wolf hakte ob dieser langen aber unkonkreten Antwort nach: Werden es in fünf Jahren weniger Kinder mit Deutschproblemen sein? "Selbstverständlich", gelobt der Stadtchef. Er sieht zwei verwobene Herausforderungen: "Auf der einen Seite viele Kinder, die einen besonderen Förderbedarf haben. Gleichzeitig die demografische Herausforderung, dass geburtenstarke Jahrgänge in Pension gehen und geburtenschwächere Jahrgänge nachkommen". Das gelte für alle privatwirtschaftlichen und öffentlichen Bereiche. Er will deshalb verstärkt in der Ausbildung der Lehrkräfte ansetzen. Diese Herausforderung wolle er "Schulter an Schulter" mit der Bundesregierung stemmen.
Seine Schlussfrage leitete Armin Wolf mit einem Verweis auf Ludwigs Alter – er ist Anfang April 64 Jahre alt geworden – ein. Der Bürgermeister fuhr schmunzelnd dazwischen: "Sieht man mir aber nicht an, hoffentlich?!" Damit überraschte er auch den ORF-Anchorman: "Ähm... das möchte ich gar nicht beurteilen, sondern das Publikum."
Jedenfalls: Wird Ludwig die vollen fünf Jahre Stadtchef bleiben? "Mein Ziel ist, die Legislaturperiode zu machen, soweit es meine Gesundheit erlaubt. Ich war erst bei einer Untersuchung: Ich bin pumperlg'sund! Von daher gehe ich davon aus, dass ich die gesamte Periode durchdienen und durcharbeiten werde."
Ludwig verabschiedete sich im Anschluss auch passend bei Wolf: "G'sund bleiben!"