Seit sechs Jahren ist im Mandlgupfbad in Pöggstall (Bezirk Melk) kein Kind mehr vom Beckenrand gesprungen. 2019 war das in die Jahre gekommene Freibad geschlossen worden – aus technischer Sicht sei der Betrieb nicht mehr zu verantworten gewesen, heißt es von der Gemeinde: kaputte Pumpen, marode Leitungen und ein Becken, das schon einmal bessere Zeiten gesehen hat.
„Seitens der Marktgemeinde Pöggstall wird alles getan, um das Projekt eines zweckmäßigen Freibades so zeitnah umzusetzen, dass die Eröffnung zur Badesaison 2022 erfolgen kann.“Marktgemeinde PöggstallMeldung vom 25. April 2021
Noch 2021 spielte die Marktgemeinde Pöggstall mit verschiedenen Optionen – von Naturpool bis Schwimmteich, nichts erwies sich als machbar. Übergangslösungen wurden durchgerechnet und wieder verworfen.
Die notwendige Sanierung wurde letztlich mit rund einer Million Euro beziffert – ein Betrag, den die Gemeinde schlicht nicht stemmen konnte. Hinzugekommen seien rechtliche Unsicherheiten, insbesondere durch das damals erwartete künftige Bäderhygienegesetz.
Statt Badespaß mit Pommesduft soll es künftig bunte Klunker und Obstsäfte geben. Auf dem Gelände ist ein Edelsteinpark geplant – betrieben von Thomas Pölzl, der bereits ähnliche Anlagen in Niedernsill (Salzburg) und in Hofstetten-Grünau im Pielachtal (NÖ) aufgebaut hat.
Pöggstall soll seine ganz eigene Version einer Freizeitanlage bekommen, inklusive Schürfstationen, Gastro und Campingplatz. Das Einzige, was im Entfernten an ein Freibad erinnert, ist der geplante Kneippwasserlauf zum Training der Beinvenen – vermutlich eine gute Idee für die gestressten Eltern, deren Kinder nach bleibenden Werten suchen.
An bleibenden Werten ist auch Gastro-Unternehmer Pölzl interessiert, insbesondere nachdem es im Pielachtal zu Streitigkeiten mit der Gemeinde gekommen war, wie aus einem Bericht des ORF hervorgeht: Pölzl fühlt sich von Bürgermeister Arthur Rasch "sabotiert". Sein Edelsteinpark musste nach Hochwasserschäden im Vorjahr schließen.
Reparaturen blieben aus, weil, laut Pölzl, die Zufahrt über den angrenzenden Campingplatz verwehrt worden sei. Rasch hingegen sagt, Pölzl habe die Zugangsregelungen abgelehnt. Mittlerweile ist die Internetseite des Freizeitparks nicht mehr erreichbar.
Anders in Niedersill: Dort zahlen Besucher ab dem vierten Lebensjahr 16 Euro für ein Tagesticket. Mit speziellen Gästekarten für Touristen gibt es 50 Prozent Ermäßigung für Kinder zwischen vier und fünf Jahren bzw. 30 Prozent ab sechs Jahren. Einheimische und Pensionisten zahlen drei Euro weniger.
Die Einwände der "Initiative Freibad Pöggstall", die für den Erhalt des Bades kämpfte, verlaufen sich – nicht nur sprichwörtlich – im Sand. Zwischen feinkörnigen Sedimenten soll es bald funkeln. Wasser wird dann nur noch zum Auswaschen der zuvor versteckten Steine gebraucht.
Am Beispiel der Gemeinden Perchtoldsdorf und Mödling zeigt sich die Krise kommunaler Bäder: Über 4,5 Mio. Euro jährlich müssen für deren Betrieb zugeschossen werden, allein Perchtoldsdorf zahlt knapp 2 Mio. Steigende Energie-, Lohn- und Sanierungskosten treffen auf begrenzte Einnahmen. Weil Eintrittspreise kaum steigerbar sind, fordern die Gemeinden eine regionale Finanzierung nach dem Modell Gänserndorf, wo 30 Gemeinden gemeinsam ein Bad tragen. Ziel: Schwimmunterricht sichern, sozialen Wohlstand und Freizeitangebote erhalten.
Pöggstalls Bürgermeister, Helmut Hahn (ÖVP), verteidigt die Umgestaltung des Areals: "Wir konnten uns das Bad einfach nicht mehr leisten", erklärte Hahn kürzlich gegenüber den Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN). Mit dem neuen Konzept sei man nun "einige Sorgen los" und blicke "stolz in die Zukunft".
Für die SPÖ Niederösterreich ist das Aus des Mandlgupfbads hingegen alles andere als ein Grund zur Freude. Landesparteichef Sven Hergovich und Klubobmann Hannes Weninger zeigen sich empört: "Wieder wird ein niederösterreichisches Freibad für immer geschlossen", kritisieren sie und sprechen von einem "traurigen Symbol für die Vernachlässigung ländlicher Regionen durch die schwarz-blaue Landeskoalition".
Freibäder seien nicht nur Freizeitorte, sondern bedeutend für "Bildung, Sport, Gesundheit und sozialen Zusammenhalt", so die SPÖ. Dass ein Antrag der Partei zur finanziellen Unterstützung kommunaler Bäder im Landtag abgelehnt wurde, sei ein weiterer Beleg für das Zusehen beim Schwimmbadsterben.
Die Gemeinde kontert: Eine Rückkehr des Bads sei lange gewünscht und gründlich geprüft worden. Doch ohne Unterstützung von Land oder Bund sei eine Investition in dieser Höhe nicht tragbar. Gespräche über eine Sanierung hatte es gegeben – inklusive Überlegungen zur Gründung einer Genossenschaft oder eines Fördervereins. Letztlich fehlten aber tragfähige Strukturen und ausreichend finanzielle Ressourcen.
Trotz Kritik aus Teilen der Bevölkerung will Bürgermeister Hahn die Wogen glätten: "Wir müssen hier Überzeugungsarbeit leisten. Der Edelsteinpark ist nicht das Ende, sondern ein Neuanfang – für Pöggstall und seine Gäste." Immerhin, die Marktgemeinde möchte Eigentümerin des Geländes bleiben – Pölzl soll einen 20-jährigen Pachtvertrag erhalten und will bis zu 500.000 Euro investieren.
Bleibt abzuwarten, ob der Investor seine Versprechen rund um den geplante Freizeitpark halten kann. Seinen Schätzungen nach, sollen bis zu 25.000 Besucherinnen und Besuchern jährlich der Örtlichkeit zu neuem Glanz verhelfen, rechnet Pölzl aus. Bademeister werden dafür jedenfalls nicht mehr gebraucht. Dafür vielleicht bald Siebe und Abenteuerlust.