Experten schätzen ein

So brutal wird der russische Gegenschlag von Putin

Die Zerstörung Dutzender Flugzeuge schwächt die Kapazitäten der russischen Nuklearstreitkräfte empfindlich. Doch wie schlimm wird der Gegenschlag?
03.06.2025, 08:30
Loading...
Angemeldet als Hier findest du deine letzten Kommentare
Alle Kommentare
Meine Kommentare
Sortieren nach:

Kommentare neu laden
Nach oben

Nach dem Drohnenangriff der Ukraine auf fünf russische Flugplätze, bei dem zahlreiche Langstreckenbomber zerstört wurden, geht der deutsche Sicherheitsexperte Carlo Masala im Interview mit der "Welt" von einem russischen Gegenschlag mit ballistischen Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen aus: "Es wird eine Antwort kommen, sie wird massiv sein – aber sie wird, trotz russischer Desinformationskampagne, nicht nuklear sein."

Ob es wirklich zu einer solchen Reaktion kommt? Der Osteuropaforscher Alexander Dubowy und der Militärexperte Alexandre Vautravers schätzen für 20 Minuten die Situation ein.

Reagiert Russland jetzt mit einem Gegenschlag?

"Russland wird sicher zurückschlagen", so Vautravers. Doch ein klassischer Vergeltungsschlag mit Hunderten von Raketen sei unwahrscheinlich, da Russland mittlerweile eher auf tägliche Angriffe setze, um die Ukraine dauerhaft unter Druck zu setzen. "Die Antwort wird weniger darin bestehen, mehr Raketen zu schicken, sondern eher neue, bisher verschonte Ziele und Infrastruktur anzugreifen."

Auch Alexander Dubowy geht nicht von einer dramatischen Antwort aus: "Die von der Ukraine zerstörten Bomber sind Teil der nuklearen Triade Russlands. Eigentlich müsste Russland entsprechend antworten." Doch das werde nicht passieren: "Ein atomarer Gegenschlag wäre für Russland verheerend." Russland würde damit eingestehen, dass es mit konventionellen Mitteln nicht weiterkomme – und gleichzeitig die Unterstützung der letzten Verbündeten verlieren. "Außerdem hätte der Einsatz einer taktischen Nuklearwaffe im vierten Jahr des Krieges kaum mehr Symbolkraft." Am Anfang des Krieges wäre das noch anders gewesen. "Mit dem Einsatz von Atomwaffen hat Putin nichts zu gewinnen, sondern alles zu verlieren."

Wird Putin die Demütigung einfach hinnehmen?

"Ja", meint Dubowy. "Putin hat in der Vergangenheit jede Demütigung hingenommen und überstanden" – etwa am Anfang des Krieges, als er es nicht schaffte, Kiew in wenigen Tagen einzunehmen, bei der Meuterei von Jewgeni Prigoschin oder dem Vorstoßen ukrainischer Truppen in die russische Region Kursk. "Auch diesmal wird er schweigen und die Sache herunterspielen."

Hat der Westen von der Operation gewusst?

Es sei erstaunlich, wie lange die Operation geheim bleiben konnte, so Dubowy. "Das spricht dafür, dass sie komplett unter dem Radar des Westens ablief." Zwar habe die Ukraine Informationsaustausch mit westlichen Geheimdiensten, doch: "Der Westen hätte eine solche Operation wohl verhindert – gegenüber Russland ist der Westen sehr risikoscheu."

Laut Vautravers arbeiten die US-amerikanischen und andere Geheimdienste seit der Annexion der Krim 2015 mit den ukrainischen Diensten zusammen – treffen aber keine Entscheidungen. "Seit Beginn des Ukrainekriegs plant die Ukraine solche Operationen aber zunehmend selbstständig."

Was bedeutet die Operation für Russlands Militär?

Russland hat laut Vautravers seit Beginn der Invasion der Ukraine möglicherweise bis zu 40 Prozent seiner strategischen Langstreckenbomber verloren: "Das ist einzigartig in der Geschichte – noch nie zuvor hat ein Land der Welt derart viele strategische Güter auf einen Schlag verloren – insbesondere nicht im nuklearen Zeitalter." Dennoch sei die Wirkung eher emotional als militärisch: "Strategisch entscheidend für Russland im Ukrainekrieg sind vor allem Interkontinentalraketen und U-Boote mit ballistischen Raketen. Die operative Fähigkeit Russlands ist also nicht zerstört – aber die Verwundbarkeit Russlands ist offengelegt." Auch Dubowy bewertet den unmittelbaren Einfluss des Drohnenangriffs auf den Kriegsverlauf in der Ukraine als begrenzt, wie er in diesem Interview ausführt.

Welche geopolitischen Folgen hat der Angriff?

"Die Ukraine konnte der Welt zeigen, dass sie stärker ist, als man denkt, und Russland schwächer", so Dubowy. Der Zeitpunkt vor den Gesprächen in Istanbul sei kein Zufall: "Das stärkt die Verhandlungsposition der Ukraine." Das Zeichen Richtung Westen sei klar: Eine weitere militärische Unterstützung lohne sich. Doch die Folgen reichen darüber hinaus. "Auch in China oder im Iran wird man die Verwundbarkeit Russlands zur Kenntnis nehmen", so Dubowy. "Diese Staaten stehen nur so lange an Moskaus Seite, wie es ihren eigenen Interessen dient – die Risiken und Verluste teilen sie nicht."

Eine Reaktion von Donald Trump steht bisher aus. "Dass er bislang geschwiegen hat und Selenski nicht vorwirft, mit dieser Aktion einen Weltkrieg zu riskieren, zeigt: Der Plan der Ukraine, aus einer Position der Stärke zu agieren, scheint aufgegangen zu sein", so Dubowy.

{title && {title} } 20 Minuten,wil, {title && {title} } Akt. 03.06.2025, 08:57, 03.06.2025, 08:30