Bis 19. Dezember soll beim Gipfel eine Entscheidung fallen – falls alles nach Plan läuft. Diskutiert wird nicht nur über das Mercosur-Abkommen mit Südamerika, sondern vor allem über die Unterstützung für die Ukraine. Wie "20 Minuten" berichtet, ist das Thema eingefrorene Kreml-Gelder besonders heikel.
Im Mittelpunkt steht, ob eingefrorene russische Vermögenswerte für die Ukraine freigegeben werden. Gleichzeitig protestierten in Brüssel Bauern gegen das geplante Handelsabkommen mit Südamerika. Auch Migration und Energie stehen auf der Tagesordnung.
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Frühjahr 2022 wurden in der EU und bei den G7-Staaten Vermögen russischer Oligarchen und Unternehmen eingefroren. Insgesamt geht es um rund 260 Milliarden Euro – ein Großteil davon gehört der russischen Zentralbank.
Die EU will der Ukraine 90 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, abgesichert durch die eingefrorenen Gelder. Russland hätte zwar weiterhin Anspruch darauf, aber das Geld bliebe gesperrt, bis der Kreml den Krieg beendet hat und für die Schäden aufkommt.
Der deutsche Kanzler Friedrich Merz (CDU) spricht sich klar dafür aus, die eingefrorenen russischen Vermögen für die Ukraine zu nutzen. "Ich sehe keine bessere Option als genau die", sagte Merz vor dem Gipfel. Er ist zuversichtlich: "dass wir zu einem Ergebnis kommen können".
Merz versteht zwar die Bedenken aus Belgien, hofft aber, sie gemeinsam ausräumen zu können. Man wolle "ein Zeichen der Stärke und Entschlossenheit gegenüber Russland zeigen".
Belgien verlangt von den EU-Partnern klare Garantien, bevor es grünes Licht für die Nutzung der eingefrorenen Gelder gibt. "Geben Sie mir einen Fallschirm, und wir springen alle zusammen", sagte Ministerpräsident Bart De Wever. Er will sicher sein, dass Belgien im Ernstfall nicht alleine dasteht.
Die meisten russischen Gelder liegen bei Euroclear in Brüssel. Die russische Zentralbank hat Euroclear bereits verklagt – Belgien fürchtet deshalb, ins Visier russischer Vergeltung zu geraten, wenn der Plan umgesetzt wird.
Belgien will, dass auch andere EU-Länder ihre eingefrorenen Guthaben in den Plan einbringen und dass Euroclear im Streitfall ausreichend abgesichert ist. Laut De Wever reichen die bisherigen Zusagen nicht: "Ich habe noch keinen Text gesehen, der die Bedenken Belgiens zufriedenstellend ausräumen könnte. Ich hoffe, dass ich heute einen sehen werde."
Polens Regierungschef Donald Tusk findet klare Worte: "Jetzt haben wir eine einfache Wahl: Entweder heute Geld oder morgen Blut." Damit meint er nicht nur die Ukraine, sondern ganz Europa. "Diese Entscheidung müssen wir treffen, und nur wir allein."
Tusk fordert, dass sich alle EU-Staats- und Regierungschefs der Herausforderung stellen.
Italiens Premierministerin Giorgia Meloni mahnt zur Vorsicht, kritisiert aber vor allem die fehlende Entschlossenheit in der EU. "Ich glaube, dass es sinnlos ist, mit Pfeilen auf einen imaginären Feind zu schießen. Denn der wahre Feind, den es zu bekämpfen gilt, ist unsere Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen", sagte sie. Der Druck auf Russland müsse bleiben, aber alle Maßnahmen müssten im Rahmen der Gesetze passieren.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bittet die EU erneut, die eingefrorenen russischen Staatsguthaben rasch bereitzustellen. "Wenn die Ukraine nicht über solche Geldmittel verfügt, befindet sie sich in einer schwächeren Position", so Selenskyj.
Er warnte: Sollte der Ukraine das Geld fehlen, könnte Russlands Präsident Putin versucht sein, noch größere Teile des Landes zu erobern. "Er versteht, dass wir schwächer und verwundbarer sein werden." Ein drohender Verlust der Gelder könnte Putin aber vielleicht doch an den Verhandlungstisch bringen, glaubt Selenskyj.
Der Kreml hat bereits mit Vergeltung gedroht, falls die EU die eingefrorenen Gelder für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet. Politiker in Moskau sprechen von "Raub" und drohen, westliche Vermögenswerte in Russland zu beschlagnahmen.
Laut belgischen Beamten gibt es sogar direkte Drohungen gegen Personen, die an den Verhandlungen beteiligt sind. Russland bekräftigt außerdem weiterhin seine Absicht, das eigene Territorium auszuweiten und lehnt Friedensvorschläge mit Beteiligung der Ukraine und der EU strikt ab.
Angesichts der Uneinigkeit sind sich die EU-Spitzen einig: Der Gipfel wird notfalls bis zur Einigung verlängert. "Wir werden den Europäischen Rat nicht verlassen, ohne eine Lösung für die Finanzierung der Ukraine für die nächsten zwei Jahre gefunden zu haben", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auch EU-Ratspräsident António Costa stellt sich hinter diese Ansage.