Das Land der unbegrenzten Möglichkeit ist Geschichte – heute herrscht in den USA ein System für Milliardäre, in dem der Rest der Bevölkerung abrutscht. Laut US-Expertin Sandra Navidi würde die Ungleichheit unter Präsident Donald Trump, der "beispiellos korrupt" agiert, weiter wachsen.
Beim Weltwirtschaftsforum in Davos zeigt sich der Wandel der Machtverhältnisse besonders deutlich: Die Bank-CEOS wurden von den Tech-Titanen verdrängt, die selbst in Davos die "Elite der Elite" vereinnahmen.
Während es in den USA über 900 Milliardäre und 25 Millionen Millionäre gibt, wächst die Schicht der ärmeren Menschen rasant an. Ein Phänomen in Amerika sind arbeitende Obdachlose: Personen, die in einer Fastfood-Kette oder ähnlichem arbeiten, aber in einem Zelt am Straßenrand leben.
Der Einfluss von Geld auf die US-Politik ist riesig. Schon lange spielt Kapital in Washington eine zentrale Rolle, doch unter Trump hat diese Entwicklung einen gefährlichen Höhepunkt erreicht. "Die Gesellschaft wird hier einen Kipppunkt erreichen", warnt Navidi im Interview mit dem "Standard".
Ein Wendepunkt war das Urteil "Citizens United" aus dem Jahr 2010: Seitdem dürfen Unternehmen unter dem Recht auf Redefreiheit politische Spenden leisten. Mit sogenannten Super-PACs lässt sich nicht nur Geld in riesigen Summen in Wahlkämpfe pumpen, sondern auch die Herkunft der Spenden verschleiern.
Neben Geld spielt auch eine radikale Ideologie eine zentrale Rolle, die seit Jahrzehnten von ultrareichen Republikanern vorangetrieben wird. Bereits in den 1950er-Jahren meinte der einflussreiche Ökonom James Mcgill Buchanan, man müsse das ganze System umändern, damit die Reichen die meiste Macht bekämen. Buchanans Idee: So viele gleichzeitige Veränderungen herbeizuführen, dass die Demokratie überrumpelt wird, bevor sie sich wehren kann.
Laut Navidi setzen republikanische Politiker genau das um. Sie haben gezielt darauf hingearbeitet, Richter für den Supreme Court zu kultivieren und einzusetzen – mit Erfolg. Milliarden fließen in die politische Beeinflussung: Politiker werden gekauft, öffentliche Meinung manipuliert. "Das ist der Anfang gewesen vom Ende, und ich sehe nicht, wie das in meiner Lebenszeit noch umgedreht werden kann", so Navidi.
Zwar gibt es auch in Europa Lobbyismus, doch in den USA ist er viel stärker ausgeprägt. Grund dafür ist, dass die Trennung zwischen öffentlichem und privatem Sektor durchlässiger ist. Politiker wechseln oft direkt in Spitzenjobs großer Konzerne und später wieder zurück in die Politik. Dieses Pendeln schafft enge Netzwerke, die den Einfluss der Wirtschaft auf die Politik massiv stärken.
In den vergangenen Jahren ist das noch extremer geworden: Elon Musk spendete 300 Millionen Dollar für Trumps Wahlkampf und sicherte sich im Gegenzug die Position als "Co-Präsident". In seiner Beraterfunktion mit eigenem Pseudo-Ministerium "Doge" hatte Musk illegale Interessenkonflikte, kürzte etwa NASA-Budgets, vergab Regierungsaufträge an eigene Firmen und schwächte gezielt Wettbewerber.
Noch weiter trieb es Trump selbst: Über seine Kryptowährung können Staaten und Milliardäre indirekte politische Entscheidungen kaufen. Wer investiert, kann Einfluss auf Außenpolitik, Steuern oder Zollregelungen nehmen.
Die "Checks und Balances", das Fundament jeder Demokratie, funktionieren nicht mehr. Der Supreme Court ist mit Loyalisten besetzt, ebenso viele Gerichte darunter. Trump wurde für fast alle Handlungen, die er im Amt vornimmt rechtliche Immunität zugesichert. Zudem kann er alle, die in seinem Namen illegal handeln, begnadigen.
Navidi ist überzeugt, dass früher oder später die Tech-Elite genug von Trump haben und selbst die Macht übernehmen wird. Der Einfluss der Tech-Titanen wird nicht mehr verschwinden. "Sie haben und komplett abhängig gemacht und besitzen alle Daten von uns", so Navidi.
Bis heute ist unklar, welche sensiblen Informationen Musk aus staatlichen Stellen wie dem Finanz- oder Sozialministerium abgeschöpft hat. Sollte er diese Daten in seine KI-Entwicklung "Grok" einbinden, verschafft ihm das einen Wettbewerbsvorteil von unschätzbarer Tragweite. Auch Peter Thiel hat mit seinem Datenanalyse-Unternehmen Palantir einen ähnlichen Hebel, vor allem im Verteidigungs- und Überwachungsbereich.
Warum Trump das alles macht? Für Navidi ergibt das nur Sinn, wenn man der Bevölkerung schaden will. Sie hält es für denkbar, dass massive Arbeitslosigkeit, Pleiten und Obdachlosigkeit in Kauf genommen werden, um anschließend Vermögenswerte billig aufkaufen zu können – ähnlich wie einst in der Großen Depression.