E-Bikes boomen, doch jetzt sorgt die Diskussion um eine mögliche Helmpflicht für Zündstoff. Die Mobilitätsorganisation VCÖ schlägt Alarm: Eine solche Pflicht könnte Unfallopfer doppelt hart treffen – selbst dann, wenn sie völlig unschuldig niedergefahren werden.
"Auch wenn man mit dem Fahrrad niemanden gefährdet und völlig unverschuldet angefahren wird, bliebe man auf einem Teil der entstandenen Kosten sitzen", warnt VCÖ-Experte Michael Schwendinger. Damit würden ausgerechnet die Opfer die Zeche zahlen – und Versicherungen könnten profitieren.
Im Vorjahr starben laut Statistik Austria 20 Menschen auf E-Bikes, jeder zweite trug trotz Helm tödliche Verletzungen davon. Schwendinger betont: "Eine Helmpflicht verhindert keine Unfälle. Eine gute Radinfrastruktur und niedrigere Tempolimits hingegen schon."
Kürzlich zeigte sich SPÖ-Mobilitätsminister Peter Hanke offen für eine Novellierung der geltenden Gesetze. Noch im Sommer, sagte Hanke, werde ihm ein Entwurf vorliegen, der bundesweit einerseits E-Mopeds von Radwegen verbannt, andererseits die Helmpflicht drastisch erweitert.
Angedacht sei, dass Fahrer von E-Mopeds, E-Scootern und E-Fahrrädern künftig zwingend einen Helm tragen müssen. Während E-Mopeds vollständig für Radwege gesperrt werden sollen, sollen Fahrer von E-Scootern und E-Bikes diese Radwege aber weiter benützen dürfen. Im Umkehrschluss bedeute eine Sperre der Radwege für E-Mopeds aber auch die Pflicht, dass künftig alle mit Kennzeichen unterwegs sein müssen.
Demgegenüber heißt es vom VCÖ, dass eine Helmpflicht das "Ende von E-Bike- und E-Scooter-Sharing bedeute". Denn niemand werde bereit sein, "von anderen verwendete, verschwitzte Helme zu tragen". Damit stünde ein junges Mobilitätsangebot vor dem Aus: Wien hat erst im Juli 300 E-Bikes ins City-Bike-System integriert, Salzburg plant ab 2026 ein eigenes Sharing-Angebot.
Österreichweit wurden in den vergangenen fünf Jahren 1,12 Millionen E-Bikes verkauft, im Vorjahr allein 226.000 Stück – das waren 57 Prozent aller verkauften Fahrräder. Für viele Jugendliche, Pendler und Stadtmenschen ist das geteilte oder private E-Bike längst ein fester Bestandteil des Alltagsverkehrs. Eine Pflicht zum Helmtragen könnte diesen Trend abrupt bremsen.
Auch juristisch ist die Lage heikel: Erst 2021 entschied der Oberste Gerichtshof (OGH), dass E-Bike-Fahrer ohne Helm keine Mitschuld trifft, wenn sie in einen Unfall geraten (Heute berichtete). Mit einer Helmpflicht wäre dieses Urteil hinfällig.
Der VCÖ setzt deshalb auf Bewusstseinskampagnen und den raschen Ausbau von Radwegen. "Das Wesentliche ist, dass es deutlich wirksamere Maßnahmen für mehr Sicherheit gibt als eine Helmpflicht. Maßnahmen, die zudem keine negativen Folgewirkungen haben", so Schwendinger.