Nach seinem Westbalkan-Debüt im Mai reiste Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) die Woche zu einem ersten großen bilateralen Termin in der Region. Konkret besucht der VP-Chef Montenegro und Serbien, wo die Themen Wirtschaft und EU-Erweiterung im Mittelpunkt stehen.
Bei einem Treffen mit dem montenegrinischen Premierminister Milojko Spajic am Dienstag versprach der Kanzler Hilfe gegen die derzeit tobenden Waldbrände in Montenegro. Österreich werde mit Ausrüstung und Manpower unterstützen, sagte Stocker in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Spajic zeigte sich "sehr dankbar" für die Hilfe und sprach von 100 Helfern, die Österreich über den EU-Krisenmechanismus schicken wolle: "Wir sehen, dass die europäische Solidarität funktioniert", betonte er.
Spajic bekräftigte das Ziel seiner Regierung, die EU-Beitrittsverhandlungen 2026 abzuschließen, 2028 will das Land dann der Europäischen Union als 28. Mitgliedsland beitreten. Laut dem Premierminister besteht die größte Herausforderung im Bereich Umwelt – Montenegro bezieht seine Energie zu rund 40 Prozent aus Kohlekraftwerken. Auch das Thema Rechtsstaatlichkeit sei schwierig, hier seien noch Reformen bei Polizei und anderen Sicherheitskräften ausständig.
Montenegro stimme bereits zu 100 Prozent mit der EU-Außenpolitik überein, betonte der Premierminister. So trägt das Land auch die EU-Sanktionen gegen Russland mit. Wirtschaftlich sei sein Land im Vergleich zur Region weit fortgeschritten. So habe Montenegro die höchsten Gehälter unter allen EU-Kandidatenstaaten. Sein Land befinde sich auch in den Bereichen Staatsbeihilfen und Wettbewerb bereits in Übereinstimmung mit EU-Recht. "Zum Zeitpunkt des EU-Beitritts könnten wir sogar schon Nettozahler und nicht Nettoempfänger sein", sagte Spajic.
Der Kanzler lobte in seinem Statement die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Montenegro, die "außerordentlich gut" sei. Besonders erfreulich sei, dass man nicht nur eine gemeinsame Geschichte habe, sondern auch die Zukunft zusammen in der EU sehe. Österreich sei innerhalb der Union einer der glaubhaftesten Unterstützer für die EU-Perspektive der Region, sagte Stocker. Montenegro sei als Kandidatenland vorbildlich, Österreich werde das Land bei Rechtsstaatlichkeit und bei der Bekämpfung Organisierter Kriminalität weiter unterstützen. Stocker dankte Montenegro auch für seine Solidarität gegenüber der Ukraine.
Stocker betonte weiters, dass man die wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter ausbauen wolle. Es gelte, das Momentum zu nutzen, mit dem Abkommen sei nun ein erster Schritt gesetzt. Österreich sei einer der Top-Ten-Investoren in Montenegro, 28 österreichische Firmen seien in dem Land niedergelassen. Ziel sei eine Beteiligung österreichischer Unternehmen an Infrastrukturprojekten, auch in den Bereichen Erneuerbare Energie und Bergbau könne die Zusammenarbeit verstärkt werden. "Wenn man so will, sind Österreich und Montenegro heute noch ein Stück näher zusammengerückt", so der Bundeskanzler.
Montenegro ist das am weitesten fortgeschrittene Kandidatenland, mit dem die Europäische Union derzeit über einen Beitritt verhandelt. Es ist mit etwas mehr als 600.000 Einwohnern auch der kleinste der Westbalkan-Staaten, die sich um einen Beitritt zur Europäischen Union bemühen. Das Land, das sich 2006 aus einem Staatenbund mit Serbien per Referendum für unabhängig erklärte, verhandelt seit 2012 mit der EU über einen Beitritt und ist seit 2017 auch Mitglied der NATO. Montenegro ist kein Mitglied der Eurozone, hat aber unilateral den Euro als Währung eingeführt.