Wirtschaftsvertreter würden gerne am gesetzlichen Pensionsalter schrauben, doch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) macht in einem aktuellen APA-Interview klar: Eine Pension mit 70 im Jahr 2035 werde nicht das Kriterium sein.
"Wir haben die Pensionsreform auf den Weg gebracht, und ich verwehre mich dagegen, dass die so kleingeredet wird", so Österreichs Regierungschef zur APA. Die bereits beschlossene Pensionsreform mit Teilpension und Anhebung des faktischen Antrittsalters soll jährlich zwei Milliarden Euro bringen.
"Wenn uns das gelingt, dann haben wir, glaube ich, viel geschafft. Sollte es uns nicht gelingen, gibt es den Nachhaltigkeitsmechanismus, und da ist die Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters eine der Maßnahmen, die dann beschlossen werden kann", erklärt der Bundeskanzler weiter.
Wichtiger sei aktuell die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Themen wie Inflation, Löhne und Wirtschaftswachstum stünden im Vordergrund. Stocker: "Und ich sage ganz offen, wenn wir jetzt diskutieren, ob im Jahr 2035 das gesetzliche Pensionsalter 70 sein soll, dann verkennen wir, dass die Fragen, die wir heute zu lösen haben, in der Wirtschaftsleistung, der Inflationsrate, den Lohnabschlüssen, dem Bruttoinlandsprodukt liegen werden."
Beim Reizthema Teilzeit zeigte sich der Kanzler streng: Wer sich der Leistung entziehe, schade dem System. Ausnahmen gebe es für Menschen mit Betreuungspflichten. "Wenn wir gemeinsam unsere Leistungen erhalten wollen, werden wir uns gemeinsam anstrengen müssen. Und wer sich herausnimmt, gefährdet das gesamte System. Das ist einfach so", sagt Stocker zur APA.
Im Video: "Wenn das alle tun": Minister legt nach gegen Teilzeit
Große Hoffnungen setzt Stocker in die neue "Reformpartnerschaft" mit Ländern, Städten und Gemeinden. Im Fokus: Energie, Gesundheit, Bildung und Verwaltung. "Wir sind ja in einer Situation, wo die finanziellen Möglichkeiten einfach so sind, dass wir uns die Besitzstände jeweils nicht bewahren werden können", erklärt der Bundeskanzler.
Auch bei der Verteidigung will Stocker anpacken: Zwei Prozent des BIP sollen bis 2032 ins Militär fließen. Die Neutralität bleibe, sei aber kein Garant für Sicherheit: "Auch eine österreichische Selbstverteidigung trägt zur Sicherheit auf diesem Kontinent bei."
Beim Thema irreguläre Zuwanderung übte der Kanzler erneut scharfe Kritik am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es gehe nicht darum, Menschenrechte abzuschaffen, sondern darum, ob die Konvention so angewandt werde, wie es die Staaten beim Unterzeichnen beabsichtigt hatten.
Besonders die Spruchpraxis bei Außerlandesbringung und Familienzusammenführung sieht Stocker kritisch.