"Was sollte das alles?"

Kurz verrät, wen er nach Hammer-Urteil zuerst anrief

Im großen "Heute"-Interview schildert Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, wie er sich nach dem Freispruch fühlte und verrät, wem sein erster Anruf galt.
Clemens Oistric
29.05.2025, 05:00
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"Ich habe früher immer an unsere Systeme geglaubt, aber sehr viel an Grundvertrauen verloren", sagt Sebastian Kurz (38) im großen "Heute"-Interview (in voller Länge als Video unten) über sein Verfahren.

Nach seinem rechtskräftigen Freispruch im Falschaussage-Prozess sprach der Ex-Bundeskanzler von der "belastenden Zeit" der vergangenen vier Jahre und dem "unglaublichen Aufwand", der rund um seinen Prozess betrieben worden sei. "Ich bin vorgeführt worden, zwölf Tage im Großen Schwurgerichtssaal, wo sonst nur Mörder und Schwerverbrecher sitzen."

Video: Kurz im "Heute"-Talk

Er hätte "das alles aushalten können" – sowohl emotional als auch finanziell – "doch viele andere können das nicht", schildert ein nachdenklicher Kurz. Im Nachhinein frage er sich oft: "Was sollte das alles?"

Vor allem, dass in erster Instanz jener Richter das Verfahren geführt hat, der mit Peter Pilz ("einer meiner erbittertsten politischen Gegner") kooperiert hatte, lässt ihn den Kopf schütteln: "Ich habe mir gedacht: Bei all den Hunderten Richtern, die es gibt, wieso fasse ich ausgerechnet den einen Richter aus, der meinem politischen Gegner Informationen gegeben hat? Und der soll dann über mich richten ..."

"Wettbewerb der besten Ideen"

Er habe in dieser Zeit zwei Bereiche bemerkt, in denen es eine "Schieflage" gebe, so der frühere Polit-Shootingstar weiter. Die politische Kultur im Land habe bei ihm dazu beigetragen, "ein Stück weit die Freude" an seinem einstigen Betätigungsfeld verloren zu haben. Kurz: "Ich wünsche mir, dass Politik wieder mehr der Wettbewerb der besten Ideen und nicht der besten Anzeigen wird."

Botschaft an seine früheren politischen Mitbewerber, die in U-Ausschüssen aufgehen: "Wenn man nur versucht, andere schlecht zu machen – ich glaube nicht, dass das zu einem erfüllten Leben führt." Auch die mediale Berichterstattung, seine Person betreffend sei teils belastend gewesen, erzählt der jüngste Altkanzler: "Wenn in 10.000 Artikeln steht, man sei schuldig gesprochen – selbst wenn am Ende 'nicht rechtskräftig' steht – ist das eine Welle, die einen trifft."

"Wird U-Ausschuss massiv schaden"

Anmerkungen hatte Kurz auch zur "Verhältnismäßigkeit der Verfahrensführung": "Nicht jede politisch motivierte Anschuldigung sollte wie ein Heißluftballon zu einem gigantischen Verfahren aufgeblasen werden." Was er damit meint? "Ich glaube, es war nicht notwendig, Tausende Seiten zu produzieren, 30 Zeugen einzuvernehmen, zwölf Verhandlungstage im Schwurgerichtssaal abzuhalten."

Damit würden auch die Ermittlungsbehörde solchen Druck aufbauen, "dass am Ende irgendwas herauskommen muss. Sonst ist der Aufwand gar nicht zu rechtfertigen." Nachsatz: "Ich glaube, dass das Verfahren der letzten Jahre dem U-Ausschuss massiv schaden wird." Die Verantwortungsträger sollten über all das "ohne Schaum vor dem Mund eine offene, mutige Debatte führen".

Erster Anruf galt den Eltern

Wem sein erster Anruf nach dem Freispruch – noch im Justizpalast – galt? Kurz zu "Heute": "Ich habe meine Eltern angerufen." Diese hätten sehr unter den Anschuldigungen und Prozessen gelitten. Er selbst sei mit sich im Reinen und hätte eine Möglichkeit gefunden, mit der Situation umzugehen: "Ich habe eine Familie, die zu mir gestanden ist, und einen loyalen Freundeskreis", zeigt er sich dankbar.

„Ich wollte immer Kinder haben und finde: je mehr, desto besser.“
Sebastian KurzEx-Bundeskanzler

Noch offen ist das Verfahren in der Chat-Affäre. Aber auch dort würden die Vorwürfe am Ende "in sich zusammenfallen", gab sich Kurz zuversichtlich. Einem Polit-Comeback erteilte er eine vorsichtige Absage: "Ich habe Politik immer irrsinnig gerne gemacht und die Zeit genossen. Mein Fokus liegt jetzt aber definitiv auf meinem Unternehmertum und meiner Familie. Ich fühle mich in dem, was ich jetzt tue, sehr wohl und möchte das weitermachen."

Sein Alltag mit nun zwei kleinen Kindern? "Ich werde ein bisschen mehr gebraucht als vorher", so Kurz. "Ich genieße es aber auch sehr und es ist wunderschön. Ich wollte immer Kinder haben und finde: je mehr, desto besser."

Stocker "sehr besonnen und gut"

Sein Nachfolger Christian Stocker mache die Arbeit als Bundeskanzler "sehr besonnen und sehr gut", befindet der ehemalige Chef der Volkspartei. Sein Job in einer Dreierkoalition mit "drei so unterschiedlichen Parteien" sei "nicht einfach". Er selbst sei "immer ein Befürworter einer Zusammenarbeit von Volkspartei und Freiheitlicher Partei" gewesen. Warum? "Ich bin einfach jemand, der Mitte-rechts denkt und daher ist das aus meiner Sicht immer die beste Konstellation." Nun sei es "so gekommen, wie es gekommen ist" ...

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