"Keine versteckten Kosten" – mit diesem Versprechen lockte 123-Transporter zahllose Kunden. Inzwischen ist klar, diese Zeile ist an Hohn kaum mehr zu überbieten. Unzähligen Betroffenen wurden sündteure Vertragsstrafen unter Angabe fadenscheiniger Gründe abgebucht. Der Schaden ist enorm. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Und zuletzt wurde es immer schlimmer, berichtet ein 123-Insider anonym im deutschen Fernsehen! Der Mann enthüllt im "SWR Marktcheck" am Mittwoch brisante Vorgänge: "In den letzten Tagen wurden massiv Strafzahlungen abgebucht. Teilweise waren das bis zu 40.000 Euro an nur einem Tag. Das waren locker doppelt so viele wie vorher."
Teilweise wurden sogar rückwirkend Strafen verhängt und abgebucht – wie es scheint, oftmals auch ohne Grundlage. Einem in der Sendung gezeigten Opfer wurden 250 Euro abverlangt, weil er angeblich zum Abschluss seines Mietvertrags zu wenig aussagekräftige Fotos des Wagens übermittelt habe. Dabei gibt die App genau vor, wo und wie der Transporter abzulichten ist, lässt einen erst nach Abschluss dieses Schritts das Fahrzeug absperren.
Das Problem für den Kunden: Die Bilder bleiben nicht am eigenen Handy gespeichert, ein Widerspruch der Forderung wird also schwierig. Der Insider konnte in diesem Fall aber aushelfen und die Fotos des Betroffenen aus der 123-internen Datenbank ausheben. Dabei zeigt sich, dass diese vollkommen in Ordnung waren und keine Vertragsstrafe in dieser Höhe rechtfertigen würden.
Während auf der einen Seite aggressiv Geld eingezogen wurde, blieb das Unternehmen mit dem Begleichen der eigenen Schulden säumig.
Sogar Kunden, die das Fahrzeug gar nicht nutzen konnten, wurden abgezockt. Dazu würden Kautionsrückzahlungen absichtlich hinausgezögert, deckt der Insider auf: "Seit ein paar Monaten wurden Kautionen nur zurückbezahlt, wenn ein Anwaltsschreiben oder von der Konsumentenkammer [VKI bzw. Arbeiterkammer, Anmerkung] in Österreich kam". Den Beiträgen in einer offenen Facebook-Gruppe der 123-Opfer zufolge, half jedoch selbst das in den letzten Tagen nichts mehr.
Auch blieben die eigentlichen Besitzer der von 123-Transporter selbst nur angemieteten Fahrzeuge auf ihren Rechnungen sitzen. Andreas Weidgans, ein deutscher Flottenpartner, berichtet: "Letzten Monat sind die Zahlungen massiv gekürzt worden." Angeblich, weil er seine Pflichten und Aufgaben nicht erfüllen würde. "Ich kann das widerlegen."
Obwohl er nur die Fahrzeuge bereitstellt, wurde auch Weidgans von verzweifelten Kunden kontaktiert und teilweise sogar attackiert: "Anfang diesen Jahres hat es begonnen, dass Leute bei mir in der Nacht angerufen und sich beschwert haben. Die haben gesagt, dass ihnen Geld von der Kreditkarte abgebucht wird, weil sie irgendwelche Vertragsstrafen begangen haben", berichtet er. Im August kündigte er schließlich seinen 123-Vertrag – aus Angst, dass wütende Kunden seine Fahrzeuge beschädigen könnten.
Die Staatsanwaltschaft Landshut ermittelt seit Mai gegen den deutschen 123-Geschäftsführer wegen des Verdachts des Betrugs und Insolvenzdelikten. Auch hierzulande beschäftigen sich bereits die Behörden damit.
Die letzte veröffentlichte Bilanz der 123 Shared Mobility Holding offenbart bereits das Straucheln des Unternehmens. "2023 hat man gesehen, dass es entweder ziemliche Wachstumsschmerzen gab, oder das Geschäftsmodell ziemlich unter Druck geraten ist", sagt Marcus Bravidor, Bilanzierungsexperte an der Universität Freiburg gegenüber dem deutschen Sendern. Das Unternehmen aus dem niederösterreichischen Ternitz stehe "auf ziemlich tönernen Füßen", fasst er zusammen – jetzt, nur wenige Tage darauf, kam es nun zum Kollaps. 123 hat Insolvenz beantragt, Chef Matthias P. ist untergetaucht.
Sein wohl letztes Lebenszeichen war eine E-Mail vom 22. September. Deren Inhalt spricht Bände: P. gab darin offenbar die Devise aus, eingezogene Kautionen so lange wie möglich zurückzuhalten und so viel wie möglich nachträglich zu strafen – selbst wenn für Service-Mitarbeiter keinerlei Regelverstoß erkennbar war. Das deckt sich 1:1 mit den Enthüllungen des deutschen Insiders.
Die dubiosen Vorgänge dürften genau so auch in Österreich stattgefunden haben. Auch gegenüber "Heute" hatte sich ein Insider zu Wort gemeldet und über horrendes Geschäftsgebaren bei 123-Transporter berichtet. Strittige Strafen entsprachen demnach dem expliziten Wunsch des Gründers.
„Mir ist schlecht geworden, als ich das gesehen habe.“Insider bei 123-Transporterim Gespräch mit "Heute"
So wurden Kundenfahrten etwa mittels Google Maps überwacht und die dort hinterlegten Geschwindigkeitsobergrenzen als Grundlage für Strafen herangezogen. "Oftmals ist bei Zubringern zu Schnellstraßen 30 km/h als Limit in der App gespeichert – in Wirklichkeit fährt man jedoch schneller", so der Ex-Mitarbeiter.
Auch Verwirrungen der Karten-App – etwa wenn sie einen auf einem Feldweg neben der Schnellstraße wähnte – seien reihenweise eiskalt ausgenutzt worden. "Mir ist schlecht geworden, als ich das gesehen habe", gibt der Insider zu. Mehr dazu hier: