"Hier stimmt gar nichts"

Reha kostet 3.657 Euro – ÖGK refundiert nur 8 Euro

Michael F. konnte wegen akuten Rückenschmerzen nicht mehr arbeiten. Er zahlte 3.657 Euro für eine Kur. Dann der Schock: Die ÖGK refundiert nur 8 Euro.
Aram Ghadimi
10.07.2025, 05:00
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"Wenn Sie so weitermachen, sitzen Sie in drei Jahren im Rollstuhl", hört Michael F. (Name geändert) von seinem Masseur, als er es wegen Schmerzen kaum noch aushält. Seine Diagnose: Lumbalgie – oder anders gesagt: Der 61-Jährige hat einen Hexenschuss.

Akutes Problem

Jetzt muss schnell etwas gemacht werden: "Einfach drei Wochen auf eine Kur der Kasse zu gehen, das geht bei meiner Arbeit nicht", sagt F. gegenüber "Heute". Und überhaupt: "Bis das bewilligt worden wäre, hätte es womöglich Monate gedauert." Für seinen Dienstgeber, ein Betrieb in Wiener Neudorf, bei dem er seit 36 Jahren im Büro arbeitet, ist er quasi unabkömmlich – Es gibt schlicht niemanden, der seine Aufgaben übernehmen kann.

"Ich habe beschlossen, privat auf Kur zu gehen, rund um Pfingsten war das. Dafür habe ich mir sogar Urlaub genommen, statt Krankengeld zu beziehen", erzählt Michael F., der Rücksprache mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) hielt, um zu erfahren, welche Leistungen der Kur er für eine Refundierung einreichen kann.

Diese Liste hat Michael F. von der ÖGK zugeschickt bekommen.
privat

ÖGK schickte Tarife für Refundierung

"Mir war wichtig, zu wissen, wie viel die ÖGK übernimmt. Sie haben mir dann einen Zettel zugeschickt, der genau aufgelistet, was übernommen wird", sagt F. und erinnert sich: "Ich habe mir 384,48 Euro ausgerechnet."

Michael F. hat sich genau ausgerechnet, wie viel Geld er von der ÖGK refundiert bekommen müsste.
privat

Einst hat Michael F. für einige Semester Mathematik studiert, dann aber mit Kursen des Berufsförderungsinstituts BFI umgesattelt: "Ich war damals Mitte zwanzig", sagt F. und erinnert sich noch an den Tag, als ihm seine Eltern eine Zeitungsannonce zeigen: "Das war am 19. August 1989 – und es war der Job in der Kalkulation, den ich noch heute mache." Doch, nach dreieinhalb Jahrzehnten, bleibt nur eine Entscheidung: Entweder jetzt die Notbremse ziehen oder komplizierte Rücken-OPs zu riskieren.

"Keine andere Wahl gehabt"

"Die Schmerzen waren so schlimm, es war klar, ich muss sofort auf Kur gehen. Eigentlich war das viel zu teuer, aber es ging nicht anders", erzählt F. Der Niederösterreicher fährt Ende Mai in ein Reha-Zentrum nach Senftenberg, unweit der niederösterreichischen Stadt Krems. Davor leistet er eine Anzahlung von 2.707,70 Euro.

Einzelheilgymnastik, Gruppenwassergymnastik, O2-Schnellregeneration am Ergometer, Cervikalzugbehandlung, Ultraschallbehandlung – es ist eine lange Liste an Reha-Maßnahmen, denen sich Michael F. für 11 Tage unterzieht. Kostenpunkt: 3.657 Euro. Diese Summe reicht er vier Tage nach der Kur bei der ÖGK ein und bekommt exakt 8 Euro refundiert.

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8 Euro überwiesen, "weggedrückt"

"Das ist doch unglaublich", sagt der 61-Jährige und verweist auf ein Schreiben der ÖGK, das durch folgenden Satz irritiert: "Für Ihre Aufwendungen in der Höhe von 802,00 Euro für Leistungen vom 09.06.2025 bis 09.06.2025 haben wir Ihnen 8,00 Euro erstattet."

"Hier stimmt doch gar nichts", sagt F., der von der ÖGK telefonische Auskunft verlangte: "Ich habe mehrfach angerufen, aber es hat dann einfach niemand mehr abgehoben. Die haben mich weggedrückt."

Per Mail schrieb F. der ÖGK: "Ich hatte nachweislich Behandlungen beim Dr. N. in der Höhe von 3.657 Euro und Sie haben mir diese Zahl auf 802 Euro abgeändert, um mir nur 8 Euro überweisen zu müssen." Er bittet alles "nochmals zu überprüfen", bekommt aber keine Rückmeldung mehr.

Strenge Regeln

"Heute" hat daher bei der ÖGK nachgefragt und folgende Antwort bekommen: "In Österreich gibt es einen klar geregelten Ablauf für eine von der Sozialversicherung bewilligte und finanziell unterstützte Kur."

Dann listet die ÖGK Punkt für Punkt auf, wie dieses Prozedere abläuft: "Antragstellung vor Beginn der Maßnahme. Diese erfolgt über den behandelnden Arzt bzw. den Hausarzt. Danach erfolgt die Prüfung der medizinischen Notwendigkeit durch den chefärztlichen Dienst, schließlich die Bewilligung der Kurmaßnahme mit Zuweisung in eine Vertragseinrichtung."

Die ÖGK kämpft mit einem Finanzloch

Österreichs Gesundheitskasse ÖGK rechnet für 2025 mit einem Rekordverlust von bis zu einer Milliarde Euro. Um gegenzusteuern, plant die Kasse Einsparungen von rund 500 Millionen Euro – etwa durch Einschränkungen bei teuren Untersuchungen wie MRT und CT. Zudem sollen Pensionisten ab Juni höhere Krankenversicherungsbeiträge zahlen. Ab 2027 will die ÖGK dann wieder schwarze Zahlen schreiben.

Von der ÖGK heißt es weiter: "Nur bei einer vorab bewilligten Kur ist eine Kostenübernahme oder -rückerstattung durch die ÖGK im vorgesehenen Umfang möglich."

Ohne vorherige Bewilligung nur Mindesttarif

Werde eine Maßnahme ohne vorherige Bewilligung in Anspruch genommen, handle es sich aus Sicht der ÖGK um eine private Gesundheitsleistung – selbst wenn medizinisch sinnvolle Inhalte wie physikalische Therapie oder Bewegungstherapie erbracht wurden. In diesen Fällen sei eine Refundierung nur im Rahmen gesetzlicher Mindesttarife möglich.

"Weitere Informationen zum Fall von Herrn F., ob die Kur in seinem Fall grundsätzlich in die Zuständigkeit der ÖGK fällt, ein Kurantrag vorliegt, dieser bewilligt wurde und eine Kur antragsgemäß angetreten wurde, können wir uns gerne genau ansehen."

Unklare ÖGK-Berechnung

Auch nach mehrmaligen Anfragen bekommt "Heute" keine weitere Information. So bleibt völlig unklar auf welcher Basis sich die ÖGK eine Refundierung von nur 8 Euro ausgerechnet hat.

"Eigentlich ist so eine Kur viel zu teuer für mich, aber es ging einfach nicht anders", sagt Michael F. und wirkt dabei niedergeschlagen: "Dass mich die ÖGK jetzt mit diesem Taschengeldbetrag abspeisen will ist eine Frechheit. Aber gut, sie haben ja 908 Millionen Defizit. Das ist mir bewusst."

{title && {title} } agh, {title && {title} } Akt. 10.07.2025, 10:27, 10.07.2025, 05:00
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