Mit 1. Juli hat SPÖ-Mann Andreas Huss wieder die Obmannschaft in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) übernommen – turnusmäßig erfolgt ja ein halbjährlicher Wechsel. Der ÖVP-Gegenpart von Huss, Peter McDonald, hat im zweiten Halbjahr den Vorsitz im Sozialversicherungs-Dachverband inne.
Huss nutzte seinen ersten öffentlichen Auftritt als neuer Obmann für klare Worte: "Wir müssen die Privatmedizin zurückdrängen und die kassenfinanzierte Versorgung ausbauen." Dafür brauche es aber "mehr Geld im System", betonte Huss vor Journalisten.
Huss sieht seine Forderungen im Einklang mit dem Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS. "Wir wollen die Zahl der Primärversorgungseinheiten (PVE) von jetzt 100 bis Ende 2030 auf 300 ausbauen."
„Mit der 100. Primärversorgungseinheit haben wir einen Meilenstein erreicht – und zeigen, dass dieses moderne Versorgungsmodell in ganz Österreich ankommt.“Korinna SchumannGesundheits- und Sozialministerin (SPÖ)
Mit 1. Juli haben drei neue solche Ärztezentren eröffnet – in Stubai (Tirol), Bad Ischl (OÖ), Graz Liebenau (Steiermark) – womit die aktuelle Gesamtzahl auf 100 stieg. In den Primärversorgungszentren finden Patienten umfassende medizinische Betreuung unter einem Dach. Es arbeiten dort Teams aus Allgemeinmedizinern, Kinderärzten, Pflegepersonal, Therapeuten und anderen Gesundheitsberufen zusammen. Das breite Leistungsangebot und längere Öffnungszeiten wirken Versorgungsengpässen entgegen.
"Mit der 100. Primärversorgungseinheit haben wir einen großen Meilenstein erreicht – und zeigen, dass dieses moderne Versorgungsmodell in ganz Österreich ankommt", erklärt Gesundheits- und Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ).
Huss will auch Einrichtungen der ÖGK selbst in dieses System einbinden. Zusätzlich fordert er "spezialisierte Fachambulatorien etwa für Gynäkologie, Urologie, Innere Medizin oder die Diabetes-Betreuung".
Ein weiteres Ziel sei es, "in allen 32 Versorgungsregionen psychosoziale Zentren" zu errichten. Außerdem kündigte er neue Pflege- und Therapiepraxen an, "auf die auch Ärzte in Einzelordinationen zugreifen können sollen". Erste Ausschreibungen dafür könnten 2026 erfolgen.
„Die Österreicher zahlen 24 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben aus der eigenen Tasche, 12 Mrd. Euro pro Jahr. Das ist international ein Rekordwert.“Andreas HussObmann ÖGK
Sorgen bereitet Huss der Anstieg der Privatmedizin: "Die Österreicher zahlen 24 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben aus der eigenen Tasche, 12 Mrd. Euro pro Jahr. Das ist international ein Rekordwert." Zum Vergleich: "In Deutschland sind es etwa nur 13 Prozent."
Viele Menschen würden sich eine private Zusatzversicherung leisten, weil sie befürchten, sonst nicht rechtzeitig die benötigte Gesundheitsleistung zu erhalten. Doch dieses Geld lande zu einem guten Teil nicht im Gesundheitssystem: 2024 seien von 2,6 Mrd. Euro Prämien nur 1,6 Mrd. als Leistungen ausgeschüttet worden.
Bei Privatversicherungen liege zudem der Anteil der Verwaltungskosten bei 14 Prozent, bei der ÖGK nur bei zwei Prozent – und das trotz der kürzlich durch die Medien gegangenen luxuriösen ÖGK- Führungskräfteklausur. Für diese suche man nun "Alternativstandorte, aber am Campingplatz werden wir es auch in Zukunft nicht machen".
Umkehren könne man den Trend nur durch mehr Geld im öffentlichen System, zeigte sich Huss überzeugt. Derzeit sehe es schlecht aus, denn ohne die privaten Zuzahlungen befinde sich Österreich in der OECD nur "im schlechten Mittelfeld" etwa mit Italien oder Tschechien. "Das muss sich ändern", forderte er. Derzeit sei das österreichische System nämlich nicht mehr solidarisch.
In den Regierungsverhandlungen hätten die Arbeitnehmer daher gefordert, die Höchstbemessungsgrundlage um 1.000 Euro zu erhöhen und auch die Hebesätze (bei Pensionisten der Ersatz für den Arbeitgeberbeitrag) zu erhöhen. Gekommen sei aber nur eine Beitragserhöhung für die Pensionisten. Zusammen mit anderen Maßnahmen wie der höheren E-Card-Gebühr sei eine "schwarze Null" für die ÖGK in Reichweite. Damit sei der aktuelle Stand der Versorgung zwar aufrechtzuerhalten – "Wir können aber nicht so ausbauen, wie wir es uns für unsere Versicherten vorstellen", so Huss.