Es ist ein Brief, der die Ärzteschaft in Aufruhr versetzt: Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) fordert darin, dass sie Zuweisungen zur Physiotherapie nur mehr für eine möglichst kurze Behandlungsdauer ausstellen.
"Im Bereich der Physiotherapie ist, wie auch mit dem Berufsverband der Physiotherapeut*innen Österreichs abgestimmt, in den meisten Fällen eine 30-minütige Behandlung ausreichend und ausschließlich in komplexeren Fällen eine längere Therapiedauer erforderlich", heißt es in dem Schreiben, das "Heute" vorliegt, wörtlich.
Und weiter: "Behandlungen in der Dauer von 45 Minuten bzw. 60 Minuten sind grundsätzlich nur bei Indikationen mit komplexerem Behandlungsbedarf angezeigt. Als Beispiele für solche "Indikationen" werden etwa Folgen nach Operationen, posttraumatische Behandlungsfälle wie nach einem Schädel-Hirn-Trauma, Querschnitt oder neurologische Erkrankungen genannt.
Die Ärzte müssen nicht nur jede Zuweisung vollständig ausfüllen – wie es in fett gedruckten Worten im Brief heißt. Sie müssen auch die "exakte Dauer" der notwendigen Behandlungen angeben, und zwar in Minuten.
Notwendig sind diese Einschnitte aufgrund starker Steigerungen bei der Zahl der Zuweisungen zu physiotherapeutischen Behandlungen, argumentiert die ÖGK. Zudem zeige sich insbesondere im Wahlbereich ein "enormer Trend nach oben".
Und es sei ein signifikanter Anstieg der Behandlungsdauer zu verzeichnen. Laut Gesundheitskasse habe im Jahr 2019 in etwa die Hälfte der Physiotherapien auf Kassenkosten eine Behandlungsdauer von 30 Minuten gehabt. Im Jahr 2023 sei dieser Anteil auf unter ein Drittel gesunken.
Der ÖGK gehe es mit den Maßnahmen aber nicht um Einsparungen, heißt es auf "Heute"-Anfrage. Sondern man wolle erreichen, "dass die Behandlungsdauer entsprechend der therapeutischen Notwendigkeiten – wie sie in der Rahmenvereinbarung festgelegt sind – eingehalten wird. Das kommt insbesondere der Patient*innenversorgung zugute, weil mit kürzeren Therapieeinheiten mehr Patient*innen behandelt werden können und sich dadurch auch Wartezeiten auf Termine reduzieren."
Fakt ist aber: Die ÖGK muss jedenfalls Einsparungen vornehmen. Hintergrund ist das befürchtete Defizit von fast einer Milliarde Euro.
Die Ärztekammer reagiert empört: "Beim groß angekündigten Sparpaket kennt die Kreativität der Kasse keine Grenzen – aber nur, wenn es um Leistungsbeschränkungen für die Versicherten geht", richtete Präsident Johannes Steinhart in einer Aussendung aus.
„Die ÖGK vergönnt den Patientinnen und Patienten die notwendige Therapie nicht.“Edgar WutscherVizepräsident der Österreichischen Ärztekammer
Vizepräsident Edgar Wutscher legt noch eines drauf: Die ÖGK "vergönne" den Patienten die notwendige Therapie nicht. Der Brief sei auch mit der Kammer nicht abgesprochen, sondern dieser nur "zur Kenntnis gebracht" worden. Man will den Kassenärzten jetzt empfehlen, diese Briefe in den Ordinationen auszuhängen und ihre Patienten informieren, wer diese Einschränkungen zu verantworten habe.